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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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befohlen, Charlotte und Elisabeth hatten dort ebenfalls Dienst zu tun, während Paul, der fast schon auf dem Weg ins Amt gewesen war, trotz der milden Maienluft die Wohnstube einzuheizen und dem Gast Gesellschaft zu leisten hatte, bis das Frühstück fertig war. Georges Bitte, seinetwegen keine Umstände zu machen, ignorierte die alte Frau schlichtweg.
    Während des Frühstücks, zu dem auch Ettje rasch herbeigelaufen kam, erzählte George von den Wundern der Hauptstadt Berlin, wo außer Pferdedroschken und elektrischer Trambahn jetzt zahlreiche Automobile auf den Straßen fuhren und sogar Omnibusse, die ganz ohne Pferde vorankamen, denn sie wurden wie die Automobile von einem Motor betrieben. Allerdings machten diese Gefährte einen solchen Lärm, dass der Passagier kaum sein eigenes Wort verstünde. Nein, den Kaiser habe er nicht gesehen, aber viele Offiziere und elegant gekleidete Damen, großartige Paraden und Knaben in weiß-blauen Matrosenanzügen. Wie gewöhnlich lauschte man seinen Berichten mit offenem Mund– wie schaffte George es nur immer wieder, mit solch belanglosem Geplauder die Herzen aller zu gewinnen? Ab und an sah er zu Charlotte hinüber, ohne im Reden innezuhalten, seine Blicke waren mal belustigt, mal fragend und zunehmend besorgt.
    Das Frühstück verlief zur vollsten Zufriedenheit der Großmutter, vor allem weil George die selbst gekochten Marmeladen und den guten Tee lobte und sich über die eigens für ihn gebackenen Pfannkuchen begeistert zeigte. Zum Mittagessen waren sie bei Ettje eingeladen, am Nachmittag wollten sie– soweit das Wetter es erlaubte– im Garten der Großmutter Kaffee und Kuchen genießen. Morgen war Sonntag, da würde gewiss Menna mit Ehemann und den Töchtern zu Besuch kommen, die freuten sich schon seit Tagen darauf, George Johanssen wiederzusehen…
    » Meine Frau und ich werden einen Spaziergang durch den Ort unternehmen « , verkündete George nach Tisch mit Bestimmtheit und durchkreuzte damit die Pläne der Großmutter, die angenommen hatte, er wolle sich bis zum Mittagessen in der Stube ein wenig aufs Ohr legen. Schließlich hatte er doch die Nacht im Zug verbracht. Elisabeth, die Spaziergänge verabscheute, überlegte ein Weilchen, dann lief sie mit Ettje hinüber ins Nachbarhaus, um beim Gemüseputzen zu helfen, außerdem würde Jonny bald aus der Schule kommen.
    Charlotte und George verließen das Haus, folgten der Ulrichstraße in raschem Tempo, ohne nach rechts oder links zu sehen, und verlangsamten ihre Schritte erst, als sie in die Mühlenstraße eingebogen waren. Schließlich blieben sie stehen und sahen einander an, der Schalk blitzte in Georges Augen auf, und sie begannen zu lachen.
    » Wir sind auf der Flucht, Liebster! «
    » Vor Pfannkuchen, Kohlgemüse und Blutwürsten… «
    » Ja. Aber ich fürchte, sie werden uns einholen. «
    Er legte den Arm um ihre Schulter, während sie den Weg entlangschlenderten. Linker Hand blitzte zwischen den Häusern hie und da das Wasser der Leda im Maienlicht, auf der Nesse grünte es um die Baracken, in den Vorgärten blühten Stiefmütterchen und gelbe Tagetes, sorgsam in Reihen gepflanzt. Die Flügel der Windmühlen bewegten sich rauschend und knarrend, als wollten sie die Vorübergehenden grüßen. Wie anders war es, an Georges Seite durch die altbekannten Straßen zu gehen. Seine Gegenwart fegte all die Erinnerungen, die wie ein düsterer Nebel in ihr aufgestiegen waren, beiseite, sein Arm wärmte sie, seine Heiterkeit breitete ein neues, glückliches Licht über die graue Stadt.
    Sie nahmen einen Seitenweg zum Fluss hinunter, setzten sich unter eine Ulme und sahen den vorüberziehenden Segelbooten und Lastkähnen nach. Kinder spielten in der Nähe mit Murmeln und stritten miteinander, drüben bei einem Häuschen flatterten blaue Hemden und weiße Unterhosen auf der Wäscheleine.
    » Du willst also ein Grundstück in der Mühlenstraße erwerben und dort eine Villa bauen « , stellte George schmunzelnd fest und verscheuchte eine Fliege, die sich auf seinem Knie niedergelassen hatte.
    » Meine Güte– nein! «
    » Oh, ich dachte, das sei bereits beschlossene Sache « , scherzte er. » Zumindest hat das deine Großmutter so dargestellt. «
    Lächelnd schüttelte sie den Kopf und lehnte sich an ihn. Sie wollte ebenso wenig in Leer bleiben, wie er Lust hatte, sich in London niederzulassen.
    Er begann, ihr von Berlin zu erzählen. Er hatte dort Verbindungen geknüpft, Gleichgesinnte getroffen und Pläne für ein neues

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