Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
Vom Netzwerk:
dummes Schaf sie doch gewesen war.
    Aber es gab ja nicht nur Menna. Da waren noch andere Menschen in Leer, Menschen, die ihr zugetan waren und sie mit ehrlicher Freude aufgenommen hatten. Ettje vor allem und auch die Großmutter. Mit Paul würde sie reden, er sollte wissen, dass sie ihr Erbe nicht von ihm zurückfordern würde. Charlotte nahm sich vor, Menna in Zukunft freundlich, aber kühl zu behandeln– sie wusste nun, was sie von ihr zu halten hatte. Marie lebte in London, sollte sie dort glücklich werden, sie, Charlotte, würde ganz sicher keinen Briefwechsel mit ihr führen. Stattdessen suchte sie Ettjes Nähe, ging mit ihr einkaufen, machte sich in Haus und Garten nützlich und unterhielt sich mit Antje, die sich allerdings recht verschlossen und wortkarg zeigte. Wenn die Frauen im Garten hinter dem Haus arbeiteten, stellten sie für die Großmutter einen Stuhl bereit, damit die alte Frau ihnen zusehen konnte. Grete Dirksen vermochte zwar nicht mehr Hacke und Spaten zu führen, doch sie hatte immer noch ein scharfes Auge auf den Garten, bestimmte, wo in diesem Jahr die Zwiebeln gesetzt und die Karotten gesät werden mussten, und überwachte streng, ob ihre Anweisungen auch anständig ausgeführt wurden. Charlotte fügte sich schmunzelnd, und manchmal dachte sie darüber nach, ob ihre Tochter Elisabeth nicht ein wenig von der Herrschsucht ihrer Urgroßmutter abbekommen hatte.
    » Die Deern muss in die Schule « , nörgelte die alte Frau. » So geht das nicht, die verwildert ja ganz und gar. Ich will mal Grit Sandhoff fragen, deren Sohn unterrichtet die Kleinen. Die Deern ist doch fix, die kann in die erste Klasse noch mit rein. An Ostern haben sie ja erst angefangen. «
    » Aber wir wissen doch noch gar nicht, wo wir uns niederlassen werden, Großmutter. Ich möchte lieber warten, bis George kommt… «
    Sie begriff, dass die Großmutter hoffte, sie würden in Leer bleiben, damit die Enkelin in ihrer Nähe aufwuchs.
    » Weshalb willst du denn schon wieder wegmachen? Oben in der Mühlenstraße sind Grundstücke zu haben. Da könnt ihr bauen, das ist gar nicht weit, da kann die Lütte am Nachmittag zu mir rüberlaufen… «
    Auch Ettje war von diesem Vorschlag angetan. Sie erinnerte Charlotte daran, wie sie sich früher an den Sonntagen gegenseitig besucht hatten, auf Feste und zum Gallimarkt gegangen waren. Und zur Kirche natürlich, fügte sie rasch hinzu, damit die Großmutter zufrieden war. Antje warf zögernd ein, es sei sicher teuer, ein neues Haus zu bauen, aber im Grunde sei das keine schlechte Idee, wo sich die Kinder doch so gut miteinander verstünden.
    » Und deine Lisa schaut sowieso aus, als sei sie hier geboren « , fügte Ettje lachend hinzu. » Peter haben sie in der Schule schon gefragt, ob sie seine kleine Schwester sei. «
    » Die ist eben eine Dirksen! « , beharrte die Großmutter. » Antje– was ist mit den Bohnen? Die kannst du jetzt stecken, es kommt kein Frost mehr. Ettje– hol mal die Stangen herbei… «
    » Ja, Großmutter… «
    Nachdenklich sah Charlotte den beiden Frauen zu und verspürte plötzlich wenig Lust, bei der Arbeit mitzuhelfen. Es hatte Nachbarn gegeben, die nicht glauben wollten, dass Elisabeth ihre Tochter war. So blond, so klare blaue Augen. Das konnte doch unmöglich das Kind von Charlotte sein, die schwarze Haare und dunkle Augen hatte, in denen es wie Bernstein funkelte. Das war das ungute Blut von der schönen Frau, die sich Kapitän Ernst Dirksen damals aus Indien mitgebracht hatte, Emily hatte sie geheißen. Deren Vater war zwar ein Engländer gewesen, die Mutter aber eine Eingeborene.
    Vielleicht war es gut so, dass man Elisabeth die indische Großmutter nicht ansah. Zumindest hier in Leer.
    Am späten Nachmittag kramte die Großmutter lange in ihrer Schlafkammer herum, dann rief sie Charlotte zu sich und überreichte ihr ein mehrfach zusammengefaltetes Papier– das Schreiben, das der Großvater damals verfasst hatte.
    » Recht muss auch Recht bleiben, Lotte « , meinte die alte Frau. » Und wenn du es nicht selbst brauchst, dann kannst du das Geld ja für die Deern verwenden. «
    Gerührt entfaltete Charlotte das Blatt, besah die eng geschriebenen Zeilen, die kleine, regelmäßige Handschrift ihres Großvaters. Wie deutlich konnte sie sich noch an jenen Tag erinnern, als der alte Mann sie in sein Arbeitszimmer gerufen hatte, um ihr diesen Text langsam und mit ganz offensichtlichem Unbehagen vorzulesen. Paul hatte sein Studium damals nicht abgeschlossen,

Weitere Kostenlose Bücher