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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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Buch gefasst. Es sei durchaus möglich, dass ein anderer Geist einkehre, was das Vorgehen in den Kolonien betraf, Ministerialdirektor Bernhard Dernburg, der gegenwärtig die Kolonialangelegenheiten leite, erschiene vielen als Hoffnungsträger. Er selbst jedoch zweifle daran, denn Dernburg sei Ökonom, habe früher die Bank für Handel und Industrie geleitet, da liege es doch auf der Hand, welche Absichten er bezüglich der Kolonien hegte. Immerhin habe Dernburg wohl vor, Ostafrika zu bereisen– ein Zeichen, dass er seine Aufgabe ernst nähme.
    Ein winziges Hoffnungsfünkchen glomm in ihrem Herzen auf, doch sie schwieg. Afrika war fern, vorerst führte kein Weg dorthin zurück. » Berlin ist eine faszinierende Stadt, Charlotte. Es würde dir dort gefallen, und auch für Elisabeth böten sich viele Möglichkeiten. Es gibt hübsche Seen und recht ländliche Regionen, wir könnten ein Haus mieten und sie auf eine gute Schule schicken… «
    » Nein. Nicht nach Berlin, George. «
    Er starrte sie einen Augenblick verwirrt an, dann hatte er begriffen.
    » Max’ Bruder und seine Schwägerin haben sich doch seit Jahren nicht mehr bei dir gemeldet, und auch Elisabeths Großeltern haben nichts mehr von sich hören lassen… «
    » Ganz gleich « , beharrte sie aufgeregt. » Max’ Bruder hat damals, nach Max’ Tod, die Vormundschaft für Elisabeth beansprucht. Die Familie wollte, dass sie zu ihnen auf ihr Gut in Brandenburg kommt. Eine von Roden dürfe nicht in Afrika zwischen Negern und Affen aufwachsen! Nein, diese Leute sollen auf keinen Fall erfahren, dass sich das Mädchen in Deutschland befindet. «
    Er atmete tief ein und aus, und sie spürte seine Unzufriedenheit. Plötzlich tat sich ein Riss zwischen ihnen auf– noch eben war sie bereit gewesen, ihm bis ans Ende der Welt zu folgen, jetzt stand etwas zwischen ihnen. Ihr Kind. Ihre wundervolle Tochter, die sie auf keinen Fall verlieren wollte, schon gar nicht an die Familie ihres verstorbenen Mannes, mit der sich dieser vor langer Zeit überworfen hatte.
    » Ich könnte sie adoptieren « , schlug George vor.
    » Das ist eine wundervolle Idee « , erwiderte sie gerührt. » Aber wird das nicht eine umständliche, komplizierte Angelegenheit sein? «
    Ihre Bedenken waren nicht unbegründet. George war Brite, und auch Charlotte hatte durch ihre Heirat die britische Staatsbürgerschaft erhalten. Elisabeth jedoch war Deutsche wie ihr verstorbener Vater.
    » Vielleicht möchtest du ja wieder nach Kairo gehen? « , schlug sie vor, bemüht, einen Ausweg zu finden. » Ich glaube, dort könnten wir recht gut miteinander leben. «
    Er grinste, und da niemand außer den spielenden Kindern in der Nähe zu sehen war, küsste er sie auf die Wange und suchte dann ihren Mund.
    » Du hättest wohl Lust, auf einem Kamel durch die Wüste zu reiten, hab ich recht? Gestehe, dass diese Idee dich immer noch umtreibt! «
    » Es ist deine Schuld, George. Hättest du nicht diese wundervollen Briefe und Manuskripte geschickt… «
    » Schmeichlerin. «
    Lachend zog er sie an sich, hielt sie fest und wurde dann rasch wieder ernst. Sie waren heimatlos, hingen in der Luft mit herabbaumelnden Wurzeln, die versuchten, einen geeigneten Boden zu finden, mit dem sie verwachsen konnten. » Es ist mir gleich, Charlotte. Ich bin dort zufrieden, wo auch du glücklich bist. Aber ich denke, Elisabeth sollte eine deutsche Schule besuchen. «
    Also in Deutschland, er hatte ja im Grunde nicht unrecht.
    » Nenn mir einen Ort « , forderte er sie auf.
    Sie zögerte und malte mit dem Fuß Kringel ins frische Gras, das sich jedoch gleich wieder aufrichtete.
    » Emden? «
    Dort hatte sie vor vielen Jahren mit ihren Eltern und dem kleinen Bruder gelebt. Es war nicht allzu weit von Leer entfernt, die Großmutter würde Elisabeth hin und wieder zu sehen bekommen, und auch Ettje konnten sie besuchen. Ein klein wenig Nestwärme, wenn auch auf die Entfernung. Menna würde sie sich schon vom Halse halten.
    » Also Emden! « , rief er erleichtert. » Meinetwegen. Es ist ebenso gut wie jeder andere Ort! «

Oktober 1906
    Graue Wolkenungetüme zogen über den Himmel wie endlose Herden fliehender Tiere, ballten sich zusammen, rissen auseinander, zerfaserten zu bleiernem Gespinst. Nur selten ließ die Sonne eine Welle im Emdener Hafenbecken aufblitzen, das Wasser blieb düster wie der Himmel, und die Fischerboote, die am Delft festgemacht hatten, erschienen Charlotte wie traurige Gefangene. Das Meer war weit. Dort, jenseits des

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