Sanfter Mond über Usambara
und plötzlich hatte Husdahl die Peitsche gezogen.
» Er hielt sie in der Faust, Charlotte « , erzählte Klara mit zitternder Stimme. » Ich weiß nicht, ob er tatsächlich zugeschlagen hätte, aber allein sein rotes Gesicht und der verzerrte Mund… Ich habe mich vor Peter gestellt, und auf einmal stand deine Tochter neben mir… «
Charlotte schwieg. Wie tapfer die beiden gewesen waren, und doch hätte sie ihnen am liebsten Vorwürfe gemacht. Ein so unbeherrschter Mensch wie Björn Husdahl war zu allem fähig.
» Am nächsten Morgen war er nicht mehr da « , vervollständigte Schammi den Bericht. » Zuerst wir haben gefürchtet, er reitet nach Mombo, weil er mit Fernsprecher zu bibi Charlotte reden will. Aber am Nachmittag er war immer noch fort. Da Martha Mukea hat in seine Hütte geschaut. Alle seine Sachen waren weg, nur das Bett und den Eimer er dagelassen… «
Was für ein seltsamer Mensch. Er hatte doch noch Lohn zu bekommen, aber das schien ihm vollkommen gleich zu sein.
» Es lässt sich nicht ändern « , seufzte Charlotte. » Wir müssen uns nach einem Nachfolger umsehen. «
Björn Husdahl war ein tüchtiger Mann gewesen, es würde nicht einfach sein, wenn nicht gar unmöglich, einen ähnlich qualifizierten Verwalter zu finden. Erst nach Stunden, als Elisabeth schon längst eingeschlafen war und auch Charlottes und Klaras leises Gespräch fast erstarb, erschien George wieder im Wohnraum. Er sah blass und sehr hungrig aus, aber obgleich seine grauen Augen ernst blickten, konnte man den Anflug eines Lächelns um seinen Mund erkennen.
» Er hat nach dir gefragt, Klara. «
Charlottes Cousine fuhr von ihrem Stuhl auf und starrte ihn mit großen, hoffnungsvollen Augen an.
» Geht es ihm besser? «
» Ein wenig. Wir haben lange geredet, ich glaube, ihm ist jetzt leichter ums Herz. Er wird nun sicher Schlaf finden. «
» Ach, George « , flüsterte Klara glücklich. » Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll. «
Sie machte eine ungeschickte Bewegung, als wolle sie ihm um den Hals fallen, doch sie wagte es nicht und humpelte stattdessen mit einem leise gemurmelten » Gute Nacht « aus dem Zimmer. Charlotte lauschte auf die langsamen Schritte, mit denen Klara die Treppe hinaufstieg. Sie setzte zuerst den gesunden Fuß auf die Stufe, dann zog sie sich am Geländer hoch und holte das kranke Bein nach. Wie oft hatte sie dieses Geräusch damals im Haus der Großmutter gehört, als sie beide noch Kinder waren. Immer hatte sie das Gefühl gehabt, Klara beschützen zu müssen, und so war es bis heute.
Schammi war noch wach und brachte George ein Tablett mit allerlei Gerichten, die er in der Küche für ihn aufgehoben hatte. Während er die Schüsseln auf den Tisch stellte, lächelte er Charlotte an– seine Sorgfalt galt nicht eigentlich George Johanssen, sie galt dem Ehemann seiner bibi Charlotte.
» Zu Anfang hat er eine Menge verrücktes Zeug geredet « , erzählte George kauend. » Aber je länger das Gespräch dauerte, desto klarer wurde er. «
» Er hat doch nicht etwa wieder den Teufel gesehen? «
» Ich weiß es nicht. Er sprach von Fratzen und schwarzen Geistern. Ich habe nicht weiter gefragt. «
Sie sah zu, wie er sich hungrig über die in Honig eingelegte Mango hermachte, den dicken Maisbrei rührte er nicht an, dafür nahm er sich ein Stück Gerstenbrot, das Martha Mukea gebacken hatte.
» Aber worüber habt ihr gesprochen? «
Er blickte sie mit nachdenklichen Augen an, während er an dem knochenharten Gerstenbrot knabberte.
» Über Gott und die Welt. Afrika und Europa. Seine Eltern. Seine Ausbildung zum Pfarrer. Am Schluss redete er auch über Naliene und den Überfall. Das verlorene Paradies, die schwarze Macht des Teufels… «
» Du Ärmster « , seufzte sie und strich ihm über die bärtige Wange. » Das alles hast du dir stundenlang anhören müssen. «
Er hielt ihre Hand fest und presste sie für einen Moment an seine Schläfe.
» Er hat seinen Glauben verloren, Charlotte « , sagte er bekümmert. » Das hat er mir zwar nicht gesagt, aber aus allem, was er mir erzählte, muss ich das schließen. Er zweifelt an der Existenz eines gütigen Gottes, was für ihn eine Ungeheuerlichkeit ist, die er niemandem gegenüber eingestehen möchte, am wenigsten aber sich selbst. « » Bist… bist du dir sicher? Er will schließlich eine Kapelle bauen und hält jeden Sonntag einen Gottesdienst, versucht, die Schwarzen zum Christentum zu bekehren… «
» Ich weiß. Aber in seinen
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