Sanfter Mond über Usambara
was es damit auf sich hatte, war Jeremy Brooks Feuer und Flamme.
» Eine Kapelle? Und wo? «
Begeistert erzählte ihm Peter Siegel von seinem Lieblingsprojekt, und Jeremy Brooks hörte andächtig zu. Er kenne die Gegend, sei dort schon mehrfach vorbeigekommen, der Fels sei extrem hart und dadurch hervorragend für das Bauvorhaben geeignet, da könne nichts bröckeln oder ins Rutschen geraten. Ein Fels wie Petrus, auf den der Herr seine Kirche erbaut habe.
» Keine Ziegelsteine, Pfarrer Siegel. Eine Kapelle muss aus behauenen Steinblöcken errichtet werden, wenn sie die kommenden Jahrhunderte überdauern soll. Mit einer Kapelle, die schon nach zwanzig Jahren ausgebessert werden muss, gebe ich mich gar nicht erst ab… «
Charlotte fühlte sich bald an die Wand gedrängt, denn auch Klara wurde von der Begeisterung gepackt und redete schon von bunt bestickten Wandbehängen und einem Taufstein aus Glimmerschiefer, der wie Silber glänzte, wenn die Sonne darauffiel.
» Sollen meine Arbeiter vielleicht Steine klopfen, anstatt auf den Feldern zu arbeiten? « , unterbrach Charlotte die schönen Träume. » Tut mir leid, die Plantage steckt in den roten Zahlen, alles hängt davon ab, ob wir in diesem Jahr endlich Kaffee ernten. «
» Und gut verkaufen, nicht wahr? « , warf Jeremy ein.
Er rieb sich den rotgoldenen Flaum, der ihm am Abend um Kinn und Wangen spross und den er jeden Morgen aufs Sorgfältigste mit dem Rasiermesser entfernte.
» Es ist ein Glücksspiel « , sagte Charlotte. » Die Kaffeepreise richten sich nach dem Weltmarkt, wir können sie nicht beeinflussen. Es kann durchaus passieren, dass wir trotz einer hervorragenden Ernte nur wenig verdienen, weil die Preise gefallen sind. «
» Deshalb der Sisal.« Jeremy nickte. » Und was ist mit Zedern und Kautschuk? Wir müssen verhindern, dass wir ganz allein von dem verfluchten Kaffee abhängig sind… «
Er fing sich einen missbilligenden Blick von Klara ein, die Charlotte mittlerweile noch frommer erschien als ihr Ehemann.
» Das alles braucht Zeit und einen guten Verwalter « , erwiderte sie schmunzelnd. » Ich kann nicht ewig hierbleiben, mein Mann und meine Tochter warten in Daressalam schon über vier Wochen auf mich… «
Jeremy wandte rasch den Blick von ihr ab und hob stattdessen Klaras Zeichnung auf, um sie näher an die Lampe zu halten.
» Wieso sollten nur unsere Schwarzen die Steine behauen? Eine Kapelle ist für alle Christen da, das ist ein frommes Werk, an dem sich auch alle Christen beteiligen sollten. Was ist mit den Nachbarn? Den Missionen? Wer einen Stein zum Bau der Kapelle bringt, der darf seinen Namen hineinmeißeln… «
Der Abend war einer der fröhlichsten, die sie bisher miteinander verbracht hatten. Träume schwebten wie Seifenblasen durch das kleine Wohnzimmer und wurden immer bunter, größer und unwirklicher, weil ein jeder etwas von seinen eigenen heimlichen Wünschen hinzufügte. Eine Kapelle aus weißen Quadern, Zedernwälder, die sich im Wind wiegten, eine weitläufige, mehrstöckige Villa inmitten einer blühenden Parklandschaft, eine Siedlung mit Geschäften, Kirchen, Schulen und hübschen, bunten Häusern, blühende Kaffeefelder bis zum Horizont, deren Duft berauschte wie ein schweres Parfüm. Doch schließlich wurde es Zeit zum Schlafengehen, ein weiterer langer anstrengender Tag lag vor ihnen.
» Morgen mache ich mich an die Termitenhügel « , sagte Jeremy zu Charlotte, als er ihr am Hauseingang gute Nacht wünschte. » Und das mit den Zedern, das sollten wir uns tatsächlich überlegen. «
Sie sah ihm lächelnd nach, bis er in der Dunkelheit verschwunden war, und lauschte noch eine kleine Weile auf die leisen Rufe der Nachtvögel und das Flüstern des Regenwassers in den Rinnen, die hinunter zum Teich führten. Als sie die Tür schloss und den Riegel vorlegte, wurde ihr das Herz schwer. Wie mitreißend er sein konnte mit seiner Fröhlichkeit und all den verrückten Einfällen! Und doch war vorauszusehen, dass diese ganzen großen Pläne nur ein Strohfeuer waren. Eine Kapelle aus behauenen Steinen, ein Bauwerk für die kommenden Jahrhunderte! Sie würde ein ernstes Wort mit Peter Siegel wechseln müssen, damit er Jeremys absurde Pläne nicht noch weiter befeuerte. Das waren doch Hirngespinste– Jeremy Brooks würde in seinem ganzen Leben keinen einzigen Stein zum Bau einer Kapelle setzen!
Am folgenden Abend erschien der Engländer nicht im Wohnhaus. Charlotte war froh darüber. Klara war oben geblieben, weil
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