Sanfter Mond über Usambara
Grund großen Wert legte, dann ordnete sie an, dass ihr Gepäck auf zwei Maultiere verladen wurde. Elisabeth und sie wollten bald aufbrechen, um rechtzeitig zur Abfahrt der Usambara-Bahn in Mombo zu sein. Wenn die Zeit reichte, würde sie von der Poststation Wilhelmsthal aus in der Sewa-Hadschi-Klinik anrufen, damit George sie morgen Nachmittag am Hafen von Daressalam abholte. Ja, es wäre schön, wenn er dort am Landungssteg stünde, um sie zu begrüßen.
» Da schau, bibi Johanssen « , sagte Johannes Kigobo und streckte den Arm aus. » Kommen Gäste. Jetzt nicht können wegreiten. «
Charlotte tat einen ärgerlichen Seufzer und blickte zu den Reisenden hinüber, die eben vor dem Eingangsgatter von Neu-Kronau anhielten. Es waren drei berittene Inder, die von einigen schwarzen Trägern begleitet wurden, vermutlich waren es Händler, die irgendwelche teuren Waren anpreisen und verkaufen wollten. Nun, sie brauchte nichts.
» Sag ihnen, dass die Herrin abreisen muss und nichts kaufen wird, Johannes Kigobo. Sie können sich aber gern auf der Plantage von der Reise ausruhen und einen Imbiss einnehmen, bevor sie weiterziehen. «
Es war gut, dass die mitleidige Klara über so gut wie keine Mittel verfügte, sonst hätte sie Händlern wie diesen wohl schon allerlei Teppiche, Gefäße oder anderes Zeug abgekauft, das man unten an der Küste für ein Zehntel des geforderten Preises erwerben konnte. Charlotte überlegte, ob sie nicht besser durch den Anbau ins Wohnhaus gehen sollte, um die Begegnung mit den Gästen zu vermeiden. Indische Händler waren ausgesprochen anhänglich, und wenn sie einmal herausbekommen hatten, wer die Herrin der Plantage war, würden sie sie nicht so schnell wieder aus ihren Fängen lassen. Charlotte hatte selbst einmal einen Laden geführt, sie wusste um diese Taktiken.
Doch als die Männer im Hof von ihren Pferden stiegen, wurde sie unsicher. Sie kannte diesen jungen Mann, hatte den Blick seiner dunklen Augen schon einmal gespürt und erinnerte sich genau, dass es keine angenehme Begegnung gewesen war. Jetzt trug er einen weißen Turban, eine weite Reithose und eine lange, geknöpfte Jacke, damals war er mit einem wehenden Seidengewand bekleidet gewesen.
Die drei Inder wechselten einige Worte miteinander. An ihrer Körperhaltung war abzulesen, in welchem Verhältnis sie zueinander standen. Der junge Mann, den sie zu kennen glaubte, war eindeutig der Herr, die anderen beiden höchstens jüngere Verwandte, vielleicht auch nur Angestellte.
» Frau Johanssen? « , hörte Charlotte ihn zu dem alten Kerefu sagen.
Kerefu blinzelte in die Sonne und wies dann in ihre Richtung. Wenn sie geglaubt hatte, dieser Begegnung ausweichen zu können, dann war es jetzt zu spät. Der Blick der schwarzen Augen wanderte über die Wiese und blieb an ihr hängen– dieses Mal jedoch nicht feindselig, sondern eher neugierig und sehr aufmerksam.
Natürlich– jetzt fiel es ihr wieder ein. Dies war der junge Mann, dem sie in Kamal Singhs Villa in Tanga begegnet war. Jetzt war ihr dieser Besuch doppelt lästig, aber es half nichts, sie würde die drei Inder empfangen müssen, die Begegnung allerdings sehr kurz halten.
Man begrüßte sie mit ausgesuchter Höflichkeit, lobte das Haus, die Blumenbeete, die schöne Landschaft und bat für das überraschende Erscheinen um Verzeihung. Ebenso ausgewählt höflich erwiderte sie, hier auf dem Land seien alle Gäste willkommen, gleich zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Der junge Mann stellte sich als Tarut Singh vor, seine beiden Begleiter nannten sich Balu und Jay.
» Wir sind uns schon einmal begegnet, Frau Johanssen, wenn auch nur kurz, möglicherweise erinnern Sie sich nicht mehr daran. Leider ließ ich die Gelegenheit ungenutzt, mich Ihnen vorzustellen… « » Oh, ich erinnere mich noch sehr genau, es war im Haus meines Freundes Kamal Singh, der inzwischen leider verstorben ist. «
Taruts Erstaunen zeigte sich nur daran, dass er kurz die Augenbrauen hochzog, vermutlich hatte er geglaubt, sie habe dieses Zusammentreffen längst vergessen.
» Mein Vater hat diese Welt vor vier Monaten verlassen, um sich mit Gott zu vereinigen. Er war nach Bombay gereist und starb auf der Rückfahrt an einem Fieber. Man hat ihn seinem Wunsch entsprechend auf See bestattet. «
» Das tut mir sehr leid… «
Sie hatte also richtig vermutet– der junge Mann war einer von Kamal Singhs Söhnen. Er hatte seine Familie ihr gegenüber nur hin und wieder erwähnt, und sie hatte nie genau
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