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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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sie erfasste, wurde sein Griff fester, seine Zärtlichkeit hastiger, und es wurde offenbar, wie ungeduldig er sie begehrt hatte. Der Höhepunkt kam für beide rascher als erwartet, ein wilder Ausbruch aufgestauter Gefühle, so stark, wie sie es schon lange nicht mehr erlebt hatten. Obwohl sie solche Lust empfand, musste Charlotte weinen.
    Hatte er es bemerkt? Sie spürte seine Hand, die über ihre Wange strich und der Spur ihrer Tränen über die Schläfe bis ins Haar hinein folgte. George sagte nichts, hielt sie nur lange Zeit fest, den Kopf an ihre Schulter gelehnt.
    » Wie lange wirst du noch hierbleiben? «
    Er musste sich räuspern, bevor er sprechen konnte.
    » Vier Wochen mindestens. Vielleicht auch länger. «
    Sie wusste, dass das großzügig geschätzt war. Sie hatten Ende April, in der letzten Maiwoche wollten sich die Teilnehmer der Expedition in Mombasa zusammenfinden, um gemeinsam mit der britischen Uganda-Bahn zum Viktoria-See zu fahren.
    » Bis dahin hat sich Elisabeth vollkommen eingewöhnt. Wir werden eine wundervolle Landschaft zu sehen bekommen, Charlotte. Die Fahrt mit dem Schiff geht am Ufer des Viktoria-Sees entlang über mehrere Anlegestellen– das wird für uns zwei wie eine nachgeholte Hochzeitsreise werden. «
    » Ja « , murmelte sie und strich dabei sacht über seinen Rücken. Sie konnte die Narbe spüren, die er sich damals eingehandelt hatte, als er sie in Naliene aus dem brennenden Missionshaus schleppte.
    » Nur wir beide « , flüsterte er zärtlich. » Die anderen gehen uns nichts an. Diese Reise wird uns gehören, Charlotte. «
    Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Tränen wieder flossen, und war zornig auf sich selbst. Weshalb war sie so schwach? Wie sollte er sie lieben, wenn sie sich so jämmerlich an ihn klammerte? Sie biss sich auf die Lippen und spürte, wie er ihre Schläfe küsste und ihre Tränen mit der Zunge auffing.
    » Ich werde kein ganzes Jahr fortbleiben, Liebste. Glaubst du, ich könnte mich so lange von dir trennen? Lass mich nur ein paar Monate in Ruanda umherstreifen, dann komme ich zu euch zurück. Auf keinen Fall werde ich die Fahrt den Kongo hinab zum Atlantik mitmachen… «
    Sagte er das aus eigener Überzeugung oder nur, um sie zu trösten? Im dämmrigen Schein der Petroleumlampe ließ sich der Ausdruck in seinen Augen nur schwer deuten.
    » Mach dir keine Sorgen, mein Schatz. Ich komme schon zurecht. Das habe ich bisher immer geschafft « , flüsterte sie, um einen zuversichtlichen Tonfall bemüht.
    » Das weiß ich, Charlotte. Ich weiß, dass du mich verstehst. Genau darauf vertraue ich. «

Juni 1907
    Die kleinen Metallzungen waren in Reih und Glied befestigt, eine dicht neben der anderen, ein ganzes Regiment schmaler, glänzender Plättchen, die durch den Luftstrom der Blasebälge in Schwingung versetzt wurden. Die schwarzen Helfer hatten die Rahmen mit den goldschimmernden Zungen voller Andacht ausgepackt und sich angestrengt bemüht, das blanke Metall auf keinen Fall mit den Fingern zu berühren, um die Himmelszungen nicht zu verstimmen. Sie klangen trotzdem nicht gerade angenehm, fand Charlotte.
    Das Harmonium war schneller aufgebaut, als sie gehofft hatte, das Ergebnis schlimmer als befürchtet.
    » Die Blasebälge sitzen nicht fest « , nörgelte sie. » Es geht Luft verloren, und zwar geräuschvoll. «
    Missionar Wohlrab war weniger anspruchsvoll. Das Harmonium gab Töne von sich, man konnte die Liturgie und die Kirchenlieder begleiten und sogar einige der eindrucksvollen Stücke von Silcher spielen, die sich in seinem Notenbuch befanden. Seine eigenen Fähigkeiten waren begrenzt, er hatte ein wenig Klavier gelernt und später drei, vier Orgelstunden erhalten, was für das Nötigste reichte. » Ich bitte Sie ganz herzlich, liebe Schwester Charlotte. Gott hat Ihnen die Gabe der Musik geschenkt– stellen Sie dieses Licht nicht unter den Scheffel. «
    Sie genoss die Gastfreundschaft dieser Menschen– also zeigte sie sich dankbar. Jeden Vormittag saß sie in der Kirche, betätigte die Tretschemel des Harmoniums mit den Füßen und versuchte, dem Instrument annehmbare Klänge zu entlocken. Es war harte Arbeit, die Töne klangen unrein, da konnte sie machen, was sie wollte.Wenn sie im Spielen innehielt, drangen die hellen Stimmen der Schüler zu ihr herein, die nebenan von einem schwarzen Lehrer unterrichtet wurden und immer wieder Worte und Sätze im Chor nachsprechen mussten. Sie taten es mit viel Begeisterung und bemühten sich, so laut wie

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