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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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und hörte auf zu treten. Bitterkeit stieg in ihr auf. » Eine Ehefrau sollte immer an der Seite ihres Mannes sein « – Klara hatte gut reden. Peter Siegel klebte förmlich an ihr, niemals wäre es ihm in den Sinn gekommen, sich freiwillig für ein ganzes Jahr von seiner Frau zu trennen.
    Ihr waren nur drei Wochen mit George auf Hohenfriedeberg vergönnt gewesen. Drei wunderbare Wochen, in denen sie gemeinsam durch die Wälder gestreift und in den Dörfern der Eingeborenen zu Gast gewesen waren und kleine Seen und prächtige Wasserfälle entdeckt hatten. Wenn sie in dem eiskalten Wasser badeten, waren sie albern und glücklich wie die Kinder gewesen. Dann aber war ein Bote mit einem Schreiben des Herzogs von Mecklenburg in der Mission erschienen, und von diesem Augenblick an war George wie ausgewechselt gewesen. Die alte Rastlosigkeit hatte wieder Besitz von ihm ergriffen, er vertiefte sich in seine Bücher, zeichnete Karten, machte Notizen über seine wissenschaftlichen Vorhaben, und wenn sie miteinander redeten, spürte sie, dass er ihr nur halb zuhörte. In den Nächten war er voller Leidenschaft, weckte sie kurz vor Morgengrauen mit neuer Begehrlichkeit und wollte sie kaum aus seinen Armen lassen, doch sie ahnte, dass auch dies eine Art Abschied war. Er trennte sich nur schweren Herzens von ihr, aber es gab etwas, das ihn von ihr fortzog, eine ihr nicht ganz unbekannte Sehnsucht, die mit dem Gefühl von Abenteuer und Freiheit einherging.
    War er enttäuscht gewesen, als sie ihm ihre Entscheidung mitteilte? Er hatte sie inständig gebeten, diesen ersten Teil der Reise mit ihm gemeinsam zu erleben. Aber sie war hart geblieben. Sein Vorschlag war ein Zugeständnis an sie gewesen, er sollte sie trösten, aber sie brauchte keinen Trost. Wenn er ein Jahr fortbleiben wollte, dann sollte er das tun. Sie aber hatte wenig Lust, sich in Bukoba unter den Augen der Expeditionsteilnehmer von ihm zu verabschieden, um danach allein und mit wehem Herzen die Rückreise anzutreten.
    George hatte ihre Entscheidung akzeptiert, hatte sogar behauptet, er könne sie verstehen. Bald darauf war er mit zwei eingeborenen Begleitern davongezogen, um rechtzeitig seine Ausrüstung in Tanga abzuholen und anschließend nach Mombasa weiterzureisen. Unten in der Talsenke hatte er noch einmal zur Mission hinaufgewinkt, und Elisabeth hatte wie verabredet ein buntes Kopftuch geschwenkt. Charlotte aber hatte reglos danebengestanden, vor Kummer wie erstarrt, gequält von bösen Erinnerungen an einen ähnlichen Abschied.
    Nun schloss sie den Tastendeckel des Harmoniums und schimpfte leise vor sich hin, weil das Holz sich trotz der Trockenheit verzog, und der Deckel klemmte. Sie erhob sich, fasste den Brief mit spitzen Fingern und drehte ihn mehrfach hin und her. Er war in Bukoba aufgegeben, ein dicker Umschlag, in dem er vermutlich auch erste Reiseberichte schickte. Nun– sie würde sie sorgfältig aufbewahren, aber momentan hatte sie keine Lust, seine Schilderungen zu lesen.
    Sie öffnete die Kirchentür und tauchte ins gleißende Sonnenlicht ein. Die schwarzen Schüler plapperten im Schulgebäude fröhlich durcheinander. Der Unterricht war beendet, nun teilte eine Helferin Schüsseln mit Maisbrei, Bananen und gekochtem Gemüse aus. Danach würden sie nach Hause laufen, um ihren Eltern auf den Feldern zu helfen. Leider kamen nur wenige Mädchen zur Schule, vor allem die Mütter misstrauten den Missionaren und fürchteten, sie könnten ihre Töchter für die Ehe verderben, aber immerhin wurden hier, anders als in der Missionsstation Wuga, nicht nur Knaben unterrichtet. Kaum hatten die Kleinen Charlotte erblickt, liefen schon die ersten aus dem Schulhaus und bettelten um eine » Singstunde « . Sie hatte mit ihnen einige Male deutsche und englische Kinderlieder gesungen, bei denen man in die Hände klatschen und manchmal auch tanzen durfte. Es hatte großen Spaß gemacht, schließlich waren auch die deutschen Kinder herbeigelaufen, allen voran Elisabeth, die sonst recht wenig Neigung zum Singen zeigte. Faszinierend war, wie rasch die schwarzen Kinder diese Lieder erlernten, sie merkten sich sogar die fremden Worte, deren Sinn ihnen verschlossen blieb, und wenn sie tanzten, ließen sie die weißen Kinder in ihrem Rhythmusgefühl weit hinter sich. Natürlich waren diese spontanen » Singstunden « nicht verborgen geblieben. Missionar Wohlrab lobte die leichte Hand, mit der Charlotte die Kinder zur Musik brachte, und schlug ihr vor, den Kleinen und den

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