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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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bewohnte, blieb sie stehen, ihr Atem ging rasch.
    » Du darfst es niemandem sagen, versprich es mir, Charlotte… «
    » Schon gut. Nun mach endlich auf. «
    Trotz der grellen Mittagssonne war es dämmrig in dem kleinen Raum, die Bastmatte vor dem Fenster heruntergelassen. Sammi schlief friedlich in seinem handgezimmerten Kinderbett. In der gegenüberliegenden Ecke, halb von der Kleiderkiste verborgen, hockte zusammengekauert ein zitterndes Bündel Mensch. Peter Siegel war kreideweiß, Schaum hatte sich vor seinem Mund gebildet, seine Augen erschienen im Dämmerlicht wie zwei schwarze Höhlen.
    » Es fing nach dem Überfall an « , flüsterte Klara. » Zuerst befiel es ihn sehr oft, dann immer seltener. Wir alle hofften, er sei nun davon geheilt… «
    Charlotte starrte auf den kauernden Mann, der jetzt das Gesicht verzerrte und ein heiseres Lachen ausstieß, höhnisch, wie damals während der Fahrt mit der Usambara-Bahn. In diesem Augenblick sah Peter Siegel tatsächlich wie ein Gespenst aus.
    » Satan « , krächzte er. » Seht ihr ihn nicht? Schwarz wie die Nacht, jetzt bleckt er die Zähne nach mir… Er folgt mir überall hin, er will meine unsterbliche Seele… «
    Der Anfall hatte ihn erfasst, während er an seiner Ansprache schrieb. Er hatte fieberhaft gearbeitet und immer wieder alles durchgestrichen, um neu zu beginnen, dann– mitten im Satz– hatte er den Stift sinken lassen und zur Tür gestiert. Klara kannte diesen Blick, dieses hilflose Grauen in seinen Augen, sie hatte ihren Mann umschlungen und schützend die Bibel vor ihn gehalten. Als er darauf nicht reagierte, hatte sie auf ihn eingeredet, ihm Wasser eingeflößt, ihn geschüttelt. Doch alles war umsonst gewesen– der Anfall schien sogar schlimmer als alle vorherigen zu sein.
    » Wir müssen den Arzt herbeischaffen, Klara « , sagte Charlotte mit ruhiger Stimme.
    Es gab einen Missionsarzt, Dr. Prölß, der jedoch meist unterwegs war, da auch die anderen Missionsstationen und die Pflanzer seine Hilfe benötigten. Wo er sich momentan aufhielt, wusste niemand.
    » Ein Arzt kann ihm nicht helfen « , stöhnte Klara unglücklich. » Du hörst doch– Satan will in ihn fahren. Nicht einmal die Heilige Schrift kann ihn schützen– und er hat mir streng verboten, Missionar Becker und Missionar Wohlrab davon zu erzählen… «
    Erst jetzt begriff Charlotte. Klara hielt diesen Zustand nicht für eine Geisteskrankheit, sondern für den Angriff einer teuflischen Macht. Deshalb hoffte sie, die Missionare könnten Peter helfen, doch damit hätte sie sein Verbot übertreten müssen.
    » Du kannst es doch nicht vor ihnen geheim halten. Er wollte nach Neu-Kronau aufbrechen, um den armen Karl Manger zu beerdigen, spätestens nach dem Mittagessen wird man nach ihm fragen. Glaubst du wirklich, dass der Anfall bis dahin vorbei sein wird? «
    Nein, erklärte ihr Klara. Diese Zustände hatten meist einige Stunden, manchmal sogar eine ganze Nacht angehalten. Danach war Peter stets in einen tiefen, todesähnlichen Schlaf gefallen, wenn er daraus erwachte, zog er sich tagelang zurück, nur Klara durfte bei ihm bleiben. Er weinte dann viel und kehrte erst nach und nach wieder ins Leben zurück.
    » Wohlrab und Becker werden ohnehin davon wissen « , vermutete Charlotte. » Ganz sicher wurden sie von Daressalam aus informiert, wie es um Peter steht. Bleib bei ihm– ich gehe hinunter. «
    Klara war sichtlich froh, dass ihr die Entscheidung abgenommen wurde, doch sie bat Charlotte inständig, die Nachricht so zu überbringen, dass nur die Missionare, aber kein anderer davon erfuhr. Dann kniete sie sich neben ihren Mann und streichelte seine zuckenden Schultern.
    Wohlrab und Becker behandelten den Fall mit großer Diskretion. Missionar Becker machte sich sofort auf den Weg zur Plantage Neu-Kronau, während Wohlrab dem Kranken einen Besuch abstattete. Er las einige Bibelstellen, rief Satan auf, im Namen des allerhöchsten Gottes von diesem Ort zu weichen, und als Peter Siegel daraufhin ein schreckliches Lachen hören ließ, schüttelte Wohlrab bekümmert den Kopf.
    » Wir können nichts tun « , seufzte er. » Worum immer es sich handeln mag– eine Krankheit oder eine teuflische Besessenheit–, wir haben nicht die Macht, ihn davon zu heilen. Uns bleibt nur, für ihn zu beten. «
    Er bat Charlotte, ihrer Cousine beizustehen, bis Missionar Siegel den Anfall überwunden hatte– was dann geschehen sollte, würde man später gemeinsam beratschlagen.
    » Lassen Sie nichts nach

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