Sanfter Mond über Usambara
Tisches.
» Wir warten noch auf Ihre Cousine « , erklärte Missionar Becker, der zwei Stühle herbeigetragen hatte. » Es erscheint uns wichtig, auch mit ihr zu sprechen, da sie großen Einfluss auf ihren Ehemann hat. Ach, ich kann gar nicht sagen, wie sehr mir dieses unselige Geschehen auf der Seele liegt. Es sind schwere Zeiten, liebe Schwester Charlotte. Auch gestern habe ich trösten müssen, wo eigentlich nur Gott der Herr allein Trost geben kann… «
Er schwatzte von der Beerdigung auf der Plantage in Neu-Kronau, wo er die junge Witwe und die Angestellten mit seiner Ansprache zu Tränen gerührt hatte. Frau Manger habe ihm herzlich gedankt und eine Spende für die Mission überreicht. Dabei sei sie selbst in Nöten, weil noch eine Menge Schulden auf der Pflanzung lägen…
Klara erschien an der Seite von Pastor Wohlrab. Als sie Charlotte erblickte, hellte sich ihre bekümmerte Miene ein wenig auf, und sie setzte sich neben die Cousine.
» Er schläft « , berichtete sie leise. » So tief und fest, als wollte er nie wieder aufwachen. «
Missionar Wohlrab wechselte einen Blick mit Becker, dann ließ er sich auf dem freien Stuhl nieder und eröffnete das Gespräch mit der Versicherung, dass man den kranken Bruder Siegel in jeder Weise hilfreich unterstützen werde. Wie das geschehen könne, wolle man nun miteinander beratschlagen.
Klaras hoffnungsvolle Miene schmerzte Charlotte, da sie fürchtete, dass die beiden geistlichen Herren ihre Entscheidung längst getroffen hatten.
» Man ließ uns zwar wissen, dass Missionar Siegel unter Krämpfen leidet, doch die wahre Natur seiner Krankheit wurde uns nicht mitgeteilt « , begann Becker das Gespräch. » Es hieß, er befinde sich auf dem Wege der Besserung. «
Klara nickte eifrig und bestätigte, dass ihr Mann seit fast einem Jahr keinen so schlimmen Anfall mehr erlitten habe.
» Dann ist der gestrige Vorfall umso bedauerlicher… «
» Er braucht Ruhe « , erklärte Klara und schaute dabei Charlotte hilfesuchend an. » Ein paar Wochen Schonung werden ihn wieder gesund machen. Das Nichtstun wird ihm zwar schwerfallen, aber ich werde unerbittlich sein, das verspreche ich Ihnen. «
» Gewiss, Ruhe und Schonung sind wichtig « , pflichtete ihr Missionar Wohlrab bei. » Es stellt sich nur die Frage, ob Hohenfriedeberg der rechte Ort für seine Genesung ist. Meiner Ansicht nach wäre unser Mitbruder viel besser in einem Sanatorium aufgehoben. «
» Aber er will unter keinen Umständen nach Deutschland zurückkehren! «
» Aber liebe Schwester Klara. So sehr wir es bedauern würden, Sie zu verlieren– Sie müssen auch an sich und an Ihr Kind denken. Ihr Mann muss genesen, und dafür ist eine Missionsstation in Afrika nicht der rechte Ort. «
Charlotte war nicht bereit, es den beiden so leicht zu machen.
» Ist nicht die Pflege der Kranken ein ganz besonderes Anliegen von Pfarrer Bodelschwingh? « , warf sie harmlos ein.
» Nicht in solch einem Fall, liebe Schwester Charlotte. Wir pflegen die Leprakranken, wie Sie wissen. Auch der Irrsinnigen und Blöden werden wir uns annehmen, sobald wir ein Haus für sie erbaut haben. Aber Bruder Siegels Anfälle sind anderer Natur und bedürfen einer ganz speziellen Behandlung. «
» Was für einer Behandlung? «
Missionar Wohlrab zog tief die Luft ein– die Antwort fiel ihm nicht leicht.
» Nun, ich kann nicht darüber befinden, das müssen berufene Männer der Kirche tun. Doch ich frage mich, ob in diesem Fall nicht eine Teufelsaustreibung durchgeführt werden sollte. Verstehen Sie mich recht, liebe Schwester Klara. Die protestantische Kirche pflegt solche katholische Praktiken eigentlich nicht– doch es gibt Ausnahmen… «
Klara starrte ihn mit vor Entsetzen geweiteten Augen an. Eine Teufelsaustreibung– das war furchtbar, und doch erschien es ihr wie ein Hoffnungsschimmer.
» Dazu müsste sich Ihr Mann nach Deutschland begeben, liebe Schwester Klara. Es ist durchaus möglich, dass eine solche Behandlung ihn heilen kann. «
» Das ist der richtige Weg, da bin ich mir sicher « , ließ sich nun auch Becker vernehmen. » Mir scheint, es wäre grausam, unseren armen Bruder noch länger leiden zu lassen, wenn es doch eine Hoffnung für ihn gibt. «
Klaras Tränen flossen reichlich, sie dankte den beiden Missionaren und versprach, nichts unversucht zu lassen, um ihren Mann zur Abreise zu überreden. Im Gegenzug versicherten ihr Wohlrab und Becker, dass sie auf Peter Siegel Einfluss nehmen wollten– gemeinsam
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