Sanfter Mond über Usambara
außen dringen « , flüsterte er Charlotte zu, bevor er den Raum verließ. » Vor allem die Schwarzen dürfen nichts davon erfahren. «
Missionar Wohlrab sah noch einmal scheu auf den Kranken, der immer noch die Kiefer malmte, so dass weißlicher Schaum aus seinem Mund quoll, dann eilte er die Stiege hinab, um die Bibelstunde für die Diakone zu halten.
» Sing irgendwas « , schlug Charlotte vor. » Ein Schlaflied oder ein Kinderlied– vielleicht hilft es ihm. «
Mit leiser, zitternder Stimme begann Klara » Jesu, geh voran « zu singen, und als der Kranke die Töne vernahm, hob er tatsächlich den Kopf. Ein leises Klopfen an der Tür ließ die angstgepeinigte Cousine jedoch gleich wieder verstummen.
» Wer ist da? «
» Johannes Kigobo. «
Charlotte öffnete die Tür nur so weit, dass sie hindurchschlüpfen konnte, und schloss sie dann wieder.
» Bwana Siegel ist krank– du kannst nicht zu ihm, Johannes Kigobo. «
Der junge Schwarze war einige Schritte zurückgetreten, als fürchte er sich vor ihr. Seine Miene zeigte Mitleid, zugleich aber auch eine seltsame Überlegenheit.
» Johannes Kigobo hat feine Ohren. Bwana Siegel ist verzaubert von Medizinmann. Reist mit Wind in andere Welt und sieht bösen Geist. Starker Zauber, böser Zauber… «
» Was redest du denn da? « , flüsterte Charlotte erschrocken. » Wie kannst du solche Dinge sagen, wo du doch Christ geworden bist und Jesus nachfolgst? «
» Jesus ist Herrscher von diese und von andere Welt. Aber Satan und böse Zauberer haben viel Macht über uns, und manchmal kann auch Jesus nicht helfen… «
» Und was hat das mit bwana Siegel zu tun? «
Johannes Kigobo schwieg und sah sie traurig an. Er war felsenfest von der Wahrheit seiner Vermutung überzeugt.
» Bwana Siegel muss zu gutem Medizinmann von Waschamba. Johannes Kigobo weiß, wo guter Zauberer wohnt, führt bwana Siegel zu ihm, wird ihn heilen… «
» Du irrst dich, Johannes Kigobo. Missionar Siegel hat ein wenig Fieber– das ist alles. Geh jetzt. «
Der junge Schwarze schien enttäuscht, wiegte den Kopf besorgt hin und her, als fürchte er ein schlimmes Unglück, dann ging er langsam die Stiege hinunter. Durch das Fenster konnte Charlotte ihn gleich darauf im Hof sehen, er schlenderte hinüber zum Schulgebäude, wo Missionar Becker Bibelstunde hielt.
Woher hatte er nur erfahren, wie es um Peter Siegel stand? Hörte dieser Bursche das Gras wachsen?
» Was wollte er? « , fragte Klara, als sie wieder ins Zimmer trat. Charlotte fand, es sei nicht der rechte Moment, ihrer Cousine die Wahrheit zu sagen, weshalb sie behauptete, Johannes Kigobo habe um Unterricht im Harmoniumspielen gebeten.
Sie blieb den Rest des Tages und die ganze Nacht bei Klara, kümmerte sich um Sammi, tröstete die unglückliche Cousine, sang mit leiser Stimme alte Kinderlieder, die den Kranken tatsächlich beruhigten. Erst spät in der Nacht löste sich Peters verkrampfte Körperhaltung, und die beiden Frauen konnten ihn aufs Bett legen. Er würde nun schlafen– der Anfall war vorüber.
Jetzt endlich war die alte Vertrautheit zwischen den beiden Frauen wieder da. Sie saßen nebeneinander auf dem Fußboden, den Rücken gegen die Wand gelehnt, und flüsterten miteinander, wie sie es schon als Kinder getan hatten. Das schlimme Geheimnis war gelüftet– Klara musste nicht länger schweigen. Sie schüttete Charlotte ihr ganzes Herz aus, ließ sich von ihr in die Arme nehmen und weinte.
» Was soll nur aus uns werden? Wie soll er von Gott predigen, wenn er doch vom Teufel verfolgt wird? Die Missionsgesellschaft hat ihm vorgeschlagen, nach Deutschland zurückzukehren, aber das kann er doch gar nicht. Seine Eltern sind schon alt und so stolz auf ihren einzigen Sohn, der in Afrika als Missionar die Heiden bekehrt. Es würde ihnen das Herz brechen, wenn sie von seinem Zustand erführen… «
» Es wird sich schon eine Lösung finden, Klara. «
Es war unbequem auf dem blanken Fußboden, und der kühle Nordostwind, der Hohenfriedeberg am Abend heimsuchte, riss an der Bastmatte vor dem Fenster. Dennoch blieb Charlotte bei Klara sitzen, lauschte ihrem Jammer und hegte insgeheim einen immer heftigeren Groll gegen ihren unglücklichen Schwager. Wie konnte ein Mensch so namenlos ehrgeizig sein? In Hohenfriedeberg hatte man versucht, ihn zu schonen, ihm eine Aufgabe zu geben. Aber der Herr Missionar war dafür keineswegs dankbar gewesen, im Gegenteil. Peter Siegel mochte nicht die zweite Geige spielen, er wollte selbst
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