Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
Vom Netzwerk:
eine Missionsstation leiten. Weshalb hatte er Pastor Gleiß in Wuga so heruntergemacht? Natürlich– Peter Siegel hatte gehofft, man würde diesen versetzen, damit er selbst die Missionsstation übernehmen konnte! Das war kein schöner Zug von ihm. Nun, diese Hoffnung konnte er jetzt wohl getrost begraben.
    » Am schlimmsten sind die gotteslästerlichen Reden, die er führt, wenn er in diesem Zustand ist. Ach, Charlotte, er hat die heiligsten Dinge verlacht, ich kann gar nicht wiederholen, was er Furchtbares gesagt hat. Der Teufel redete aus ihm… «
    » Unsinn. Hör bloß mit diesem dummen Zeug auf! Peter ist krank, das ist es. Er hat den Überfall auf die Mission in Naliene nicht verkraftet. Ich bin fest davon überzeugt, dass er Ruhe braucht und sich erholen muss, dann wird er schon wieder gesund werden. «
    » Glaubst du? Ach, wenn du nur recht hättest, Charlotte! «
    » Natürlich habe ich recht! «
    Charlotte sprach im Brustton der Überzeugung, um Klara ein wenig Mut zu geben. In Wirklichkeit jedoch erschien es ihr höchst fraglich, ob Peter Siegel je wieder sein Amt als Missionar ausüben konnte.
    » Ach, Charlotte, wenn du nicht bei mir wärest, würde ich ganz und gar verzweifeln! Und dabei hast du doch genug eigenen Kummer, du Arme. «
    Tatsächlich aber spürte Charlotte, dass der Schmerz, den Georges Brief erneut aufgerissen hatte, sehr viel schwächer geworden war. Klara brauchte ihre Hilfe, das allein war wichtig, alles andere zählte jetzt nicht.
    Erst gegen Morgen schlich sie die Treppe hinunter in ihr Zimmer, doch trotz aller Erschöpfung wollte sich der Schlaf nicht einstellen. Mit offenen Augen lag sie auf ihrem Bett, lauschte auf das Zirpen der Grillen und die Rufe der Nachtvögel, während ihre Gedanken unablässig um Klara kreisten. Als sie endlich in einen traumlosen Schlaf gefallen war, schrillte schon wieder die Morgenglocke. Missmutig drehte sie sich auf die Seite. Wieso hasste sie dieses Gebimmel eigentlich so sehr? Auf ihrer Plantage am Kilimandscharo hatte eine ebensolche Glocke den Arbeitsbeginn und den Feierabend eingeläutet, und auch bei anderen Gelegenheiten war sie eingesetzt worden. Die Glocke hatte in ihren Ohren fröhlich geklungen, ganz anders als diese hier, die herrisch klang, fordernd. Achtung, jetzt gibt es Frühstück! Herbeigeeilt, wir halten jetzt die Morgenandacht! Kommt schnell, der Schulunterricht beginnt! Die Bibelstunde fängt gleich an! Das Mittagessen ist fertig, wer nicht kommt, geht leer aus! Auf zur Arbeit in Feld und Garten! Achtung, bereit machen zur Abendandacht! Heute ist Sonntag, alle guten Christen finden sich zum Gottesdienst ein…
    Die beiden Missionare hatten den Tagesablauf genauestens geregelt, es klappte zwar nicht immer alles nach Plan, aber an afrikanischen Verhältnissen gemessen glich diese Mission fast einem Kasernenhof. Charlotte beschloss, das Frühstück und die Morgenandacht für heute ausfallen zu lassen und später, anstatt wie üblich im Garten zu helfen, zu Klara hinüberzugehen. Doch kaum war sie wieder eingeschlafen, da läutete die Kirchenglocke, und ihr fiel siedend heiß ein, dass heute Sonntag war. Sie musste das elende Harmonium spielen.
    Weder Klara noch Peter Siegel erschienen zur Andacht, nur der kleine Sammi saß auf Frau Wohlrabs Schoß, doch er weinte fast die ganze Zeit. Nach der durchwachten Nacht verspürte Charlotte eine vollkommene Leere in ihrem Innern, der Klang des Harmoniums ging ihr fürchterlich auf die Nerven, und sie hoffte, dass dieser Gottesdienst so rasch wie möglich vorbeigehen möge. Was ihre Hände auf dem Instrument zustande brachten, nahm sie nur teilweise wahr, doch ihr fiel auf, dass Missionar Wohlrab die Stirn kräuselte und etliche der Waschamba-Christen verwirrte Mienen zeigten. Allein Johannes Kigobo, der in der zweiten Reihe saß und heute die ehrenvolle Aufgabe hatte, die Bibeltexte vorzulesen, grinste glückselig vor sich hin.
    Nach dem Mittagessen bat Missionar Wohlrab Charlotte zu einem Gespräch ins Arbeitszimmer der beiden Missionare. Es war ein schmuckloser, rechteckiger Raum im Erdgeschoss, gleich links neben der Eingangstür gelegen und mit hohen Fenstern ausgestattet, damit die Herren das Geschehen auf dem Hof jederzeit verfolgen konnten. Regale mit Büchern und Papierstapeln füllten eine Wand, ein großer Tisch war mit Papieren und allerlei Schreibutensilien bedeckt, ein hölzernes Kreuz aus dunklem Holz, eine besonders schöne Eingeborenenschnitzerei, stand in der Mitte des

Weitere Kostenlose Bücher