Sanfter Mond über Usambara
würde man ihn seiner Heilung entgegenführen. Nur rasch müsse es gehen, am besten noch in dieser Woche.
Charlotte hatte den Ausführungen der beiden Missionare mit wachsender Verblüffung zugehört. Eine Teufelsaustreibung– das war stark! Aber natürlich– die beiden wollten Peter Siegel so schnell wie möglich loswerden, weil seine Krankheit ihre Missionsarbeit behinderte. Wie sollte man den Schwarzen erklären, dass einer der Missionare ganz offensichtlich vom Teufel besessen war und Jesus Christus ihm nicht helfen konnte?
» Vielleicht braucht mein Schwager zu dieser Zeremonie ja gar nicht nach Deutschland zu reisen « , sagte sie scheinbar hoffnungsfroh. » Gestern noch nannte mir einer der Waschamba einen Medizinmann, der den bösen Geist aus Peter Siegel vertreiben könne… «
Die Wirkung ihrer Worte übertraf all ihre Erwartungen. Beckers Gesicht gefror zu einer Grimasse, Wohlrab blieb der Mund offen stehen, er hatte Mühe, Luft zu holen.
» Wenn das ein Scherz sein sollte, dann ist er gottlos und abgeschmackt! « , empörte er sich in scharfem Ton.
» Aber nein, ich meine es ernst. Der junge Mann wollte Peter Siegel helfen. Er glaubt, ein böser Medizinmann habe den bedauernswerten Missionar verzaubert. Gegen einen solchen Zauber sei Jesus Christus machtlos. Nur ein guter Medizinmann könne den Bann lösen. «
Missionar Becker hatte sich jetzt wieder im Griff, ohne sein Lächeln wirkte er unangenehm und kalt.
» Wer war dieser Bursche, und wieso wusste er davon? Haben Sie den Schwarzen etwa erzählt, dass Missionar Siegel den Teufel sieht? «
Klara verneinte und wandte die Augen ängstlich ihrer Cousine zu. Am liebsten hätte Charlotte laut aufgelacht. Wie lächerlich die beiden Missionare doch waren! » Oh, ich glaube, die Schwarzen haben für solche Dinge einen besonderen Instinkt– sie hören das Gras wachsen, wie man so schön sagt… «
» Da haben wir es! « , murmelte Missionar Becker dumpf. » Diese unglückliche Geschichte hat schon Verwirrung in ihren Gemütern gestiftet. Ein Missionar, der vom Teufel besessen ist– Schlimmeres konnte uns kaum passieren! «
Vom Hof her drangen helle Kinderstimmen in den Raum, schwarze und weiße Knaben übten sich im Bockspringen, die Mädchen schauten zu und lachten, wenn einer der lebenden Böcke umgerissen wurde. Missionar Becker erklärte das Gespräch für beendet.
» Wir werden wie verabredet verfahren und rechnen auf Ihre Unterstützung, liebe Schwester Klara. Sie wissen, dass wir nur das Beste für Ihren Mann wollen, und deshalb muss er Hohenfriedeberg so schnell wie möglich verlassen. «
Charlotte verbrachte den Rest des Tages bei Klara, sah nur hin und wieder nach ihrer Tochter, die fröhlich mit den anderen Kindern spielte und später brav zur Bibelstunde ging. Peter Siegel schlief bis zum Abend, dann erfasste ihn ein heftiger Schüttelfrost, und er war für kurze Zeit ansprechbar.
» Es ist nur ein Fieber « , murmelte er. » Ich bin gleich wieder auf dem Damm. Leg meinen Talar zurecht, Klara. Und den Hut. Die hellen Schuhe… «
Er redete von der Beerdigung, die er gleich halten würde, und Klara machte ihm vor, alles sei bereit, um ihn ja nicht aufzuregen. Kurze Zeit später war er schon wieder eingeschlafen. In der Nacht erwachte er mehrmals und trank etwas Wasser, gegen Morgen fragte er, welcher Wochentag heute sei.
» Es ist Montag. «
» Montag… « , wiederholte er langsam.
Er schloss die Augen, und Charlotte ahnte, dass ihm erst jetzt bewusst wurde, was mit ihm geschehen war. Trotz allem tat er ihr unendlich leid– wie verzweifelt musste sich ein Mensch fühlen, der glaubte, vom Teufel besessen zu sein!
Sie nahm an der Morgenandacht teil und bat im Anschluss Johannes Kigobo und Jonas Sabuni, sie auf einen Ausritt zu begleiten. Als man ein Pferd und zwei Maultiere auf den Hof führte und sattelte, ließ Missionar Becker seine Schüler im Stich, auch Wohlrab tauchte am Eingang des Missionshauses auf.
» Sie wollen ausreiten? Es wäre wohl besser, Sie stünden Ihrer Cousine bei, die Sie jetzt so nötig braucht. «
» Ich brauche etwas Abstand, Missionar Becker. «
» Ich rate Ihnen dringend, hier in der Missionsstation zu bleiben! «
Hatten die geistlichen Herren etwa Sorge, sie könne den empfohlenen Medizinmann aufsuchen? Offenbar schon, denn Beckers » dringender Rat « klang wie eine Drohung. Charlotte war drauf und dran, eine heftige Antwort zu geben, doch in diesem Augenblick geschah etwas Unerwartetes. Eine
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