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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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Charlotte hat zwei Männer unter die Erde gebracht. Findest du das normal? Und jetzt hat sie sich George geangelt und ihm noch dazu dieses Kind angehängt, das gar nicht von ihm ist. Der arme George wird schon bald merken, was er sich da aufgeladen hat. Hast du das Kostüm gesehen, das sie trägt? Das Hütchen? Mit vollen Händen wirft sie sein Geld hinaus. Nein, meine arme Schwester Marie ist wirklich zu bedauern. Nur gut, dass sie einen so anständigen Ehemann gefunden hat, als George auf und davon ging… «
    » Ich dachte immer, es war Marie, die sich von George getrennt und die Scheidung verlangt hat… «
    » Ich muss jetzt wirklich los, Ettje. Wir müssen uns beeilen, der Zug geht in zwanzig Minuten. Hanna! Grete! Wo bleibt ihr denn… «
    Charlotte machte keinen Versuch, sich zu verstecken, als Menna aus der Küche in den Eingangsflur trat. Wie erstarrt stand sie da, unfähig, sich von der Stelle zu rühren. So musste sich ein Mensch fühlen, der unversehens in einen eisigen Abgrund gestürzt war. Taub und ohne Empfinden. Menna bemerkte sie nicht, sie war viel zu sehr damit beschäftigt, die Jacken ihrer Töchter zurechtzuzupfen und sie dann in die Stube zu treiben, wo sie der Großmutter Lebewohl sagen sollten. Kurz darauf erschienen alle drei wieder im Flur und verabschiedeten sich hastig von Paul und Ettje. Bei dieser Gelegenheit stellte Charlotte fest, dass auch Antje, Pauls Ehefrau, in der Küche gewesen war.
    » Ach, Charlotte! « , rief Menna, die sie in diesem Augenblick auf der Treppe erblickte. » Na, schläft dein Töchterlein schon? Leider müssen wir schon fort, es wird zu spät für meine D ee rns. Lass dich umarmen, es war so schön, dich wiederzusehen. Wir schauen noch einmal vorbei, wenn George hier ist. Er wollte doch die Tage kommen, nicht wahr? «
    Charlotte riss sich zusammen. Wozu sich ereifern? Streiten? Es führte zu nichts. Boshafte Lügen und Verleumdungen schaffte man damit nicht aus der Welt.
    » Ja, George wird bald hier eintreffen. Er wird sich freuen, dich zu sehen, Menna. Gute Reise. «
    Nichts hatte sich geändert. Das warme Familiennest war voller Stacheln und Dornen, sie hätte es wissen müssen.
    George ließ eine ganze Woche auf sich warten, sieben lange Tage, die Charlotte wie Jahre erschienen. Sie machte Spaziergänge durch Leer, entdeckte Altbekanntes und Neues, ließ Erinnerungen in sich aufsteigen und spürte doch, dass sie hier, in dieser kleinen Stadt, nicht mehr heimisch war. Das Häuschen ihres Klavierlehrers, des Kantors Pfeiffer, war abgerissen worden, Ohlsens Kolonialwarenladen in der Pfeffergasse eine Uhrmacherwerkstatt. Hatte sie tatsächlich zwei Jahre lang dort oben über dem Laden gewohnt? Aus diesen kleinen Fensterchen auf die grauen Dächer und hinunter in die Gasse geschaut? Hatte Christian, der nun schon seit neun Jahren in afrikanischer Erde begraben lag, wirklich einst in diesem Geschäft gestanden und die Leeraner Kundschaft mit Gewürzen, Reis und Kaffee bedient?
    Manchmal nahm sie Elisabeth mit auf einen dieser Spaziergänge, um ihr von den vergangenen Zeiten zu erzählen, doch die Kleine zeigte viel mehr Interesse an den hin und wieder vorbeituckernden Automobilen als an Charlottes Erzählungen. Einen ausgestopften Löwenkopf hatte die Mama in diesem Schaufenster angestarrt? Was war daran Besonderes? Zu Hause auf der Plantage gab es Löwen- und Leopardenfelle im Wohnzimmer, dazu den Kopf einer Hyäne und Hörner von Gnus, weil ihr Papa ein großer Jäger gewesen war. Auch die Geschichten von den Erdmantjes, die im Plytenberg wohnen sollten, fand Elisabeth nicht aufregend– da waren Hamunas Geistergeschichten schon besser, denn diese Naturwesen konnte man sehen und spüren, sie waren im Wald und in den Eukalyptusbäumen, auf der Wiese am Teich und auch in den Bananenstauden. Die dummen Erdmantjes aber gab es gar nicht wirklich, das hatte Peter ihr erklärt.
    » Wenn wir wieder nach Hause fahren, will ich Jonny mitnehmen « , verkündete Elisabeth entschlossen. » Er will unbedingt die Plantage und die Neger sehen. Und er will mir nicht glauben, dass es in der Savanne richtige Löwen und Elefanten gibt. Er darf doch mit, oder? «
    » Ich fürchte, seine Eltern werden es nicht erlauben, Elisabeth. «
    Die Kleine zog einen Moment lang die Stirn kraus, dann schüttelte sie die Bedenken ab und erklärte strahlend, Jonny könne sich ja in ihrem großen Reisekoffer verstecken, und wenn er erst auf der Plantage sei, könnten Tante Ettje, Onkel Peter und

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