Sanfter Mond über Usambara
Inschrift nicht mehr zu lesen. Afrika ließ sich nicht besitzen, es gab sich nur für eine Weile hin, doch wenn die Zeit gekommen war, nahm es sich seine Freiheit zurück.
Charlotte schüttelte die trübe Stimmung nun endgültig ab und kroch unter der Plane hervor, um sich neben Johannes Kigobo zu setzen. Kritisch schaute sie über die Felder, soweit sie von hier aus zu übersehen waren– sie würde gleich ein paar Leute aussenden, um Unkraut zu jäten. Die kleinen Reispflänzchen mussten gesetzt werden, morgen würde man einige Äcker pflügen, um Kartoffeln, Karotten und Bohnen in die Erde zu bringen, im Garten sprossen schon die ersten Radieschen.
Eine Horde schwarzer Kinder näherte sich mit fröhlichem Geschrei, mitten unter ihnen, an der Hand von Ontulwe, lief Sammi, noch ein wenig wackelig, aber voller Selbstvertrauen. Er sah ulkig aus in seinem weißen Kittel, die zarte Haut sonnengebräunt, das feuerrote Haar zwischen den schwarzen Schöpfen der anderen Kinder leuchtend wie ein Flämmchen.
Wenn Klara doch nur endlich aufhören würde, ihrem Sohn solch affige Kleider zu nähen! Wozu brauchte ein Junge spitzenbesetzte Nachthemdchen? Zum Glück streifte er sich die Sonnenhüte, die unter dem Kinn gebunden wurden, gleich wieder ab.
Natürlich musste Simba sich genau in dem Augenblick schütteln, als sie vor dem Wohnhaus aus dem Wagen stiegen. Elisabeth kreischte, da das schöne Kleid, das sie für den Besuch bei den Krügers angezogen hatte, nun voller rötlicher Lehmspritzer war. Charlotte wies den hinkenden Kerefu an, zuerst den Hund abzutrocknen und danach die Maultiere auszuspannen. Jonas Sabuni lief aus der Küche herbei, um Johannes Kigobo beim Abladen des Gepäcks zu helfen, Peter Siegel hatte sich seinen schmutzverkrusteten Sohn gegriffen und trug den heulenden Nachwuchs ins Haus, gefolgt von Ontulwe, die ihren kleinen Freund nicht im Stich lassen wollte. Gleich würde Peter der armen Klara vorwerfen, das Kind zu vernachlässigen, wie er es immer tat, wenn er sich über irgendetwas geärgert hatte. Dieses Mal war es der Bau der Kapelle, der nun doch nicht so rasch vonstattengehen würde, wie er es sich erhoffte.
» Ein Bote ist gekommen, bibi Johanssen « , erzählte Jonas Sabuni eifrig. » Hat einen Brief gebracht und ihn bibi Siegel gegeben. Ich habe guten Maisbrei mit Banane und Hühnerfleisch zu ihm getragen, aber er hat Gesicht schief gezogen und gesagt, in Tanga er bekommt besseres Essen. «
Ein Brief aus Tanga? Vermutlich kam der Brief von der evangelischen Missionsgesellschaft, die sich nach Peter erkundigte– die beiden Missionare von Hohenfriedeberg hatten ganz sicher ausführlich Bericht über ihn erstattet. Ob man ihn am Ende aufforderte, Afrika zu verlassen, um sich in Deutschland einer Behandlung zu unterziehen? Charlotte seufzte– schon wieder ein Problem. Nun ging es Klaras Mann endlich besser, die kleine Familie hatte sich in Neu-Kronau eingelebt und fühlte sich hier wohl. Die Missionsgesellschaft sollte ihn am besten einfach in Ruhe lassen.
Sie überließ es Jonas Sabuni, die Geschenke provisorisch im Haus unterzustellen, und lief, gefolgt von Elisabeth, hinüber zu den Wohnungen der Arbeiter. Dort waren die Frauen in den eigenen Feldern und Gärten fleißig, während die Männer beisammenhockten, rauchten und eine Kalebasse mit selbst gebrautem Zuckerrohrschnaps herumgehen ließen.
» Mama, die faulenzen schon wieder! «
Charlotte war unzufrieden, was sie die Arbeiter spüren ließ– hatte sie nicht befohlen, dass täglich Unkraut gejätet und auch die Äcker gepflügt werden sollten?
» Wie können wir bei diesem Regen arbeiten, bibi ? Niemand kann das. Die Geister sind zornig, schicken uns Blitz und Donner, wollen nicht, dass wir den Boden hacken… «
» Schaut hinauf zum Himmel! Was seht ihr? «
» Die Sonne. «
» Na also. Kibwando teilt die Hacken aus. Nehmt euch die Kaffeebäumchen neben der großen Rinderweide vor. Das Unkraut werft wie immer auf einige große Haufen, damit wir es morgen oder übermorgen verbrennen können… «
Sie würde Frauen zu den Weiden aussenden müssen, einige ihrer Kühe hatten gekalbt, und sie sollten gemolken werden. Es wurde Zeit, dass sie endlich einen Verwalter fand, denn die Hoffnung, dass Peter Siegel sich irgendwann für die Leitung der Plantage interessieren würde, konnte sie getrost begraben. Der Herr Missionar hatte nur seine Schule und die geplante Kapelle im Kopf, vermutlich war der schöne Garten in Naliene damals
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