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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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ganz allein Klaras Werk gewesen.
    Simba schnupperte auf der Wiese herum, er schien eine Spur gefunden zu haben, die ihn schnurstracks zum Hühnerstall führte.
    » Schau dir das an, Mama! Da hat wer gewühlt! Man kann es nicht mehr genau erkennen, weil der Regen die Spuren verwischt hat! « , rief Elisabeth aufgeregt.
    Tatsächlich– innerhalb des mit einem Drahtzaun gesicherten Auslaufs, ganz dicht am Hühnerhaus, war ein Loch zu sehen. Irgendein Tier hatte in der Nacht mühelos den zwei Meter hohen Drahtzaun überwunden und versucht, in den Hühnerstall einzudringen– nur gut, dass Jeremy die Hölzer tief im Boden verankert hatte. Was für ein Räuber auch immer es gewesen war, ob Zibetkatze oder Leopard, er käme gewiss wieder. Wenn sie nicht all ihre Hühner verlieren wollte, würde sie sich mit Johannes Kigobo auf die Lauer legen müssen.
    Charlotte lächelte bitter– für Jeremy wäre es ein ganz besonderes Vergnügen gewesen, aber Jeremy war fort und würde sich vermutlich niemals wieder auf der Plantage blicken lassen.
    » Darf ich dabei sein, wenn du den Leoparden abschießt, Mama? «
    » Nein, auf keinen Fall. Und überhaupt– wer sagt, dass es ein Leopard war? «
    » Was denn sonst? « , maulte das Mädchen. » Ich würde ihn schon erwischen, wenn du mir das Gewehr gibst. «
    Sprach da etwa Max von Rodens Tochter? Lag Elisabeth die Leidenschaft für die Jagd genauso im Blut wie ihrem Vater? Das Mädchen rannte davon, um sich unter die schwarzen Kinder zu mischen, gleich darauf hörte Charlotte es mit lauter Stimme ein Spiel ankündigen.
    Im Wohnraum erwartete sie eine Überraschung: Auf dem Tisch lag der Brief– und er war gar nicht an Peter Siegel, sondern an sie gerichtet. Die Hoffnung, es handele sich um eine Nachricht von George, traf sie wie ein Blitz. Kam der Brief etwa aus Tanga? Vielleicht war die Post fehlgeleitet worden, so etwas kam in Afrika hin und wieder vor. Hastig kletterte sie über die Teile des Kinderbettes und die Stoffballen hinweg, die Johannes Kigobo vorerst in ihrem Wohnzimmer abgestellt hatte, doch schon als sie die Hand nach dem Brief ausstreckte, schwand ihre Hoffnung. Das war nicht Georges Schrift, diese zierlichen, anmutig geschwungenen Buchstaben hatte ein anderer geschrieben– jemand, mit dem sie nicht nur gute Erinnerungen verband. Enttäuscht ließ sie sich auf einen der beiden Stühle sinken und warf das Schreiben zurück auf den Tisch. Aus dem oberen Stockwerk drang Peter Siegels aufgeregte Stimme, Sammi weinte, hin und wieder waren Klaras leise Einwände zu vernehmen, die neuerliche Zornausbrüche ihres Ehemannes herausforderten. Charlottes Stimmung sank auf den Nullpunkt. Weshalb ließ sich Klara das gefallen? Wenigstens für ihr Kind hätte sie kämpfen können. Doch sie war Tante Fannys gehorsame Tochter und hatte gelernt, dass in jedem Fall der Ehemann, der Vater und Ernährer, an erster Stelle stand, dann erst kamen die Söhne, danach die Töchter, und ganz zuletzt folgte sie selbst.
    » Johannes Kigobo! Bring dieses Kinderbett hinauf zu bibi Siegel. «
    So würde Peter Siegel etwas zu tun bekommen, und ihre Cousine hätte ein wenig Ruhe.
    Charlotte drehte den Brief hin und her, starrte die Buchstaben an, und plötzlich kam ihr eine Szene in den Sinn, die Jahre zurücklag: Meeresrauschen, drei Schwarze, die mit einem Boot anlandeten, ein junger Bursche mit flatterndem weißem Hemd, der ihr einen Zettel zusteckte…
    Auch das noch! Was mochte Kamal Singh wohl von ihr wollen? War er am Ende mit dem gezahlten Geld nicht zufrieden?
    Mit klopfendem Herzen riss sie den Umschlag auf und entfaltete den Brief. Er war mit dunkelblauer Tinte auf teures Papier geschrieben, das an der oberen linken Ecke den Briefkopf des Inders trug. Oben rechts erkannte man eine eingestanzte Lotosblüte.
    Liebe Freundin,
    ich hoffe sehr, Sie genießen die Vorzüge einer blühenden Plantage in den schönen Usambara-Bergen, ohne das Meer zu vermissen, das uns beide von Indien trennt.
    Eine eilige Angelegenheit veranlasst mich, Ihnen dieses Schreiben per Boten zukommen zu lassen. Sie erinnern sich vielleicht an einen Knaben, den Sie vor Jahren– gegen meinen Rat– bei sich aufnahmen. Er hat Ihre Freundlichkeit schlecht gelohnt, indem er Ihnen davongelaufen ist.
    Es ist einige Jahre her, dass er in meinem Haus auf Sansibar um Arbeit bat, und ich war leichtsinnig genug, ihn zu beschäftigen. Ein anstelliger, gar nicht dummer Bursche, der nur den einen Fehler hat: Er ist ein Schlitzohr. Was

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