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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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er trieb, nachdem ich ihn davonjagte, weiß ich nicht, doch einer meiner Geschäftspartner vermeldete mir gestern, der kleine Gauner stecke in Daressalam im Gefängnis: Er hat seinen Herrn bestohlen.
    Möglicherweise ist Ihnen sein Schicksal gleichgültig, da ich aber mit dem Alter ein wenig sentimental werde, habe ich den Verdacht, Sie könnten um Schammi besorgt sein.
    Ich grüße Sie und verbleibe als
    Ihr väterlicher Freund
    Kamal Singh
    Der Nordostwind trieb kleine, blau schillernde Wellen dem Festland zu, hie und da zeigte sich ein weißer Wellenkamm, in Ufernähe erschien das Wasser türkisfarben, kühl, klar. Charlotte lehnte sich gegen die Reling des Küstendampfers und starrte hinüber zu der nebelumwölkten Insel, die in der Ferne wie ein graugrüner Schemen vorüberglitt. Sansibar, die Unbefangene, die Schöne, jenes Eiland, das heiße Sehnsüchte zu wecken wusste, das Land der Verheißung, der Ort, an dem Träume wahr werden konnten.
    Als sie Afrika vor knapp zwei Jahren verlassen hatten, war auf dieser Zauberinsel die Pest ausgebrochen. Kein ausländisches Schiff hatte das Wagnis eingehen wollen, den Hafen von Sansibar-Stadt anzulaufen, was den Küstenstädten der Deutschen zu neuer Bedeutung verholfen hatte; vor allem Tanga hatte von der Quarantäne profitiert. Doch das war mittlerweile Vergangenheit, die Gewürzinsel hatte ihre alte Vorrangstellung wieder eingenommen, und kein Ort auf der Welt hätte ihr diese streitig machen können. Wehte jetzt nicht der Wind den Duft von Muskatblüten und Anissternen zu ihnen herüber? Ach, das war Unsinn– hier, an Bord des vollbesetzten Küstendampfers, roch es nur nach Schiffslack und Teer, vermischt mit dem unterschwelligem Gestank nach fauligem Fisch, den der feuchte Monsunwind mit sich trug.
    Sansibar war eine ferne Erscheinung am Horizont, unerreichbar wie jener Tag vor elf Jahren, an dem sie mit George dorthin unterwegs gewesen war, Sehnsucht im Herzen und zugleich voller Furcht. George… Nichts hatte sich geändert.
    » Wenn Schammi damals in der Missionsschule am Immanuelskap geblieben wäre, hätte ihn sein Weg zu Gott geführt « , sagte Peter Siegel neben ihr vorwurfsvoll. » Ich habe um diesen jungen Menschen gekämpft, aber er wollte dir und deinem Mann folgen. Und so nahm das Unglück seinen Lauf… «
    Charlotte wollte nicht mit ihm streiten und schwieg, obgleich sie anderer Ansicht war. Schammi, der kleine, verlorene Knabe auf dem Markt von Daressalam, sein schmales Gesicht, die großen Augen. Er war ein Schlitzohr, das hatte auch sie feststellen müssen. Er war eitel, schoss übers Ziel hinaus, überschätzte sich. Als Max so plötzlich aus dem Leben gerissen wurde, sein geliebter Herr, sein großes Vorbild, war Schammi davongelaufen. Das war nun schon über sieben Jahre her– er musste jetzt etwa zwanzig sein, ein junger Mann. Aber dass ein Dieb aus ihm geworden war, mochte Charlotte nicht glauben.
    » Er war kein Dummkopf, er hätte die Schule abschließen und Diakon werden können « , schwatzte Peter Siegel weiter. » Er hätte gewiss einen Posten bei der Verwaltung bekommen. Aber so ist er dem Sog der Küste verfallen, dem Schmutz, dem Abschaum. Sansibar– dieser Sündenpfuhl hat ihn verschlungen! «
    Hinter ihnen erhob sich schrilles Lachen– eine Gruppe schwarzer Frauen hockte auf den Schiffsplanken, die abenteuerlich verschnürten Bündel um sich ausgebreitet–, vermutlich wollten sie in Daressalam auf Arbeitssuche gehen. Zwei weiße Postbeamte saßen auf bequemen Stühlen und rauchten, nicht weit von ihnen entfernt kauerte ein zerlumpter Afrikaner und reinigte sich mit einem Stäbchen die Zehennägel. Simba, der Charlotte auch jetzt wie ein Schatten folgte, lag lang ausgestreckt auf den Planken, den Kopf auf die Pfoten gelegt. Nur hin und wieder äugte er vorwurfsvoll zu seiner Herrin hinauf, als frage er sich, warum um alles in der Welt sie ein so grauenhaftes, schwankendes Ding bestiegen hatte.
    Kamal Singhs Brief hatte zumindest dafür gesorgt, dass sich Peter Siegels schlechte Laune mit einem Schlag legte, er sah seine Voraussagen bestätigt und schritt unvermutet forsch zur Tat: Als Mann Gottes war er bereit, an die Küste zu reisen und den Abtrünnigen aus seiner schlimmen Lage zu befreien.
    Auch Charlotte hatte Mitleid mit dem unglücklichen Schammi , dennoch war ihr die Angelegenheit lästig, da sie die Plantage wegen der anstehenden Arbeiten nur ungern verließ. Auf der anderen Seite konnte sie Peter Siegel auf keinen

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