Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sankya

Sankya

Titel: Sankya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zakhar Prilepin
Vom Netzwerk:
saftig aufgebrochene Melonen, schlaffe, wie eingeschlafene Weintrauben, glatte prallgefüllte Orangen, und Mandarinen in leichter, manchmal richtig nachlässig übergestülpter Schale, weshalb sie so einfach zu schälen sind. Kiwis, behaart, wie die männliche Anmut eines Neandertalers, Äpfel in den unterschiedlichsten Schattierungen, durchaus erschwingliche Birnen, anstößige Bananen und noch irgendeine Frucht, die zwar an das rote Licht einer Verkehrsampel erinnerte, aber von Hooligans ausgeweidet worden war.
    Reihen mit Bierflaschen, hundertvierzig unbekannte Sorten. Reihen mit Wodkaflaschen, in den verschiedensten Formen, als wären sie von bedeutenden Architekten entworfen worden, die sich damit eine Zeitlang vom Bau der Stadt der Zukunft abgelenkt hatten. Und noch Unmengen an allem möglichen Alkohol – Sascha hatte gar nicht genug Kraft, um all die Etiketten durchzusehen …
    Brrr … Sascha verließ den Supermarkt und blieb lange am Eingang mit einer Zigarette stehen, er rauchte. Er schaute zu, wie schöne Autos heranfuhren, denen geschäftige Menschen entstiegen, die dann, nach einiger Zeit, mit riesigen Tüten zurückkamen, voller Lebensmittel, die weder Sascha noch seine Mutter jemals probiert hatte, deren Geschmack weder Posik, noch Negativ, auch nicht Schaman oder dem Löter bekannt war … ja, und sicherlich auch keinem anderen der ›Sojusniki‹ dieser Stadt.
    »Sieht so aus, als hättest du dieses Essen auch ziemlich gern«, sagte sich Sascha. »Kannst ohne das gar nicht leben.«
    »Na ja, ich möchte es nicht. Kann auch ohne leben.«
    »Und was dann?«
    »Na, dann …«
    Sascha zog wieder die Zigarettenpackung hervor und stellte fest, dass sie leer war.
    Er ging zurück in den Supermarkt, bog sofort zur Kasse ab, er war zweiter in der Reihe. Vor ihm stand ein Mann in einer teuren Lederjacke, auf deren schwarzem, aus einem schönen Tier gefertigten Kragen eine geschmolzene Schneeflocke glänzte. Der Mann sprach am Handy. Die Verkäuferin nannte ihm einen Betrag, er nickte. Er zog aus der Tasche eine Geldbörse, öffnete sie mit einer Hand, zog aus dem dicken Bündel einige große Geldscheine heraus – die ganze Zeit über sprach er am Telefon. Er nahm das Wechselgeld, griff nach einer riesigen Tragetasche, in der Flaschen klirrten, und ging mit dem Telefon am Ohr hinaus.
    Sascha kaufte seine Lieblingszigaretten – er wechselte den Fünfhunderter. Er stand neben der Kasse, öffnete die Packung, warf die Zellophanhülle und den Kassenzettel in eine Schachtel, steckte eine Zigarette in den Mund und zündete sie an, noch bevor er den Supermarkt verlassen hatte.
    »Im Geschäft ist das Rauchen verboten«, meinte ein Wachmann in schwarzer Uniform, der neben der Tür stand, aus Pflichtbewusstsein sagen zu müssen.
    Der Mann von der Kasse legte die Tüte auf den rechten Autositz, setzte sich ans Steuer, sprach am Telefon weiter. Das Auto zitterte leicht und fuhr unter zartem Beben der schönen Stoßstange weg.
    »Geschäftige Menschen«, seufzte Sascha und ging weiter.
    Merkwürdigerweise war ihm überhaupt nicht kalt – der Cognac wärmte wohl.
    »Jetzt gehe ich nach Hause, werde Buchweizenkascha essen. Werde eine Käsewurst kochen. Wenn man die kocht, wird das Wasser so trübe, als hätte man Waschpulver reingeschüttet … Und am Morgen riecht es so, als wäre darin eine erschöpfte und ausgebleichte Maus mit schwachem Immunsystem ertrunken. Ich werde Buchweizenkascha essen und lege mich schlafen. Ich werde träumen. Wovon könnte ich träumen? … Beschissen ist das, wenn du ein Vierteljahrhundert gelebt hast und merkst, dass du von nichts mehr träumen magst.«
    Sascha schlenderte wieder durch das Stadtzentrum, die Stadt begann ihr nächtliches Treiben – die Menschen in den Straßen waren aufgeregt, als wären sie eben erwacht.
    Er eilte irgendwohin, das Gefühl von Kälte und Müdigkeit hatte er verloren, leicht, etwas gebückt. Er berührte mit der Zunge den Zahn – jenen, den sie eingesetzt hatten. In der Tasche drehte er die Patronenhülse hin und her.
    An einem Kiosk kaufte er Bier und trank in der Kälte fast die ganze Flasche auf einmal. Schaute die Leute an, sie waren fröhlich. Sie gingen vorbei, lachend, eilten in die Cafés, kamen wieder heraus, gewärmt, lächelnd.
    Sascha ertappte sich plötzlich dabei, dass er versuchte, mit seinem Gesicht das eine oder andere von ihm bemerkte Lächeln nachzuahmen, ein ebenso glückliches Gesicht zu machen. Es gelang ihm nicht.
    Er wollte

Weitere Kostenlose Bücher