Sankya
dabei die Augen zusammen.
Ihm wurde warm im Kopf, und es kam ihm vor, als wäre ein weiches Licht eingeschaltet worden. Du blinzelst verwundert, verstehst nicht, woher es eigentlich kommt.
Es wirkt immer so, als würde es heller, und trinkt man noch etwas, wird es noch heller, noch wärmer, noch fröhlicher. Und so streckst du dich von Glas zu Glas nach diesem Gefühl, nach diesem blinkenden Licht, wie nach dem eigenen Schwanz, bis du dich im Kreis drehst, der wirre Kopf im Rausch versinkt, bis du zur Seite fällst.
»Es ist noch zu früh um umzufallen«, sagte sich Sascha nach dem dritten Glas. Er war gerade noch imstande zu erkennen, dass er, hätte er diesen Satz laut ausgesprochen, bei einigen Buchstaben und Wortübergängen merklich ins Stocken geraten wäre; selbst im Zustand leichter Trunkenheit drohten ja manche, auseinanderzufallen und abzubröckeln, als wären sie aus altem Plastilin geformt.
Nach dem fünften Gläschen kam der Appetit – Sascha vertilgte die ganze Eierspeise, die schon kalt war, aber trotzdem schmeckte.
Jetzt darf geraucht werden. Nein, noch ein Glas – das sechste drückt einen schon leicht nieder. Die Gedanken fließen langsamer, weicher, fauler, entspannter. So viel langsamer und entspannter, dass du beginnst, an etwas zu denken, träge Steine im Kopf herumzuwälzen – und dann zündest du ein Streichholz an, um zu rauchen, und vergisst sofort, was du gedacht hast. Du zündest die Zigarette an und erinnerst dich fröhlich: Was war denn das eben in meinem Kopf. Scheiße, da war etwas sehr Wichtiges. Du lenkst dich mit etwas anderem ab und vergisst. Dabei schenkst du natürlich das siebte Glas ein. In Erinnerung an den vergessenen, aber so schwerwiegenden Gedanken. Der kommt dann unerwartet zu dir zurück, gegen Ende der Flasche, aber du möchtest ihn schon nicht mehr aufgreifen. Hau ab, sagst du. Ich habe keine Zeit für dich. Gegen Ende der Flasche möchte man telefonieren, mit einem guten Menschen, der seit Langem auf dich wartet, der ohne deinen Anruf nicht einschlafen kann.
Sascha fiel nicht ein, wen er anrufen sollte. Früher hätte er Negativ angerufen, hätte zugehört, wie der schwieg – die Art des Schweigens änderte sich von Ärger zu ruhigem, nicht lange anhaltendem Interesse, und wurde wieder zu düsterem, aber stillem Missfallen, was Sascha warum auch immer unsagbar lieb war.
In Negas Wohnung, verstand Sascha plötzlich, war es immer auf besondere Weise ruhig. »Das ist wegen der Pflanzen!« war er sich sicher. »Diese Pflanzen sind durchdrungen von seiner ewigen Ruhe! In Nega ist das schöpferische Prinzip um vieles stärker als der Wunsch, alles zu zerstören, so ist das!«
Sascha fasste diesen Gedanken, nachdem er die Reste der Flasche so in das Gläschen geleert hatte, dass es fast übergelaufen wäre. Er versuchte das volle Glas gleich gar nicht aufzuheben – er senkte den Kopf und nippte erstmal daran.
Er rief niemanden an.
Zur zweiten Flasche »Belenkaja« aß er die Wurst auf; er zerhackte eine neue Gurke, der Teller ging dabei fast zu Bruch.
Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen – nur Gefühle wechselten einander ab, abrupt, wie Stromstöße in den Augen. Mal überfiel ihn Ärger, mal Mitgefühl, mal Lachen, mal Wut.
Etwas flog vorbei, Schnellzüge in rasanter Geschwindigkeit, donnerten … Zerfetzte Flaggen schlugen direkt ins Gesicht. Er atmete den Rauch mit angewidert verzogenen Lippen aus, die Fahnen verschwanden. Zurück blieb nur noch schwankende Trübnis.
Er wachte auf und versuchte eine Minute lang, sich zu erinnern, wann genau er sich ins Bett gelegt hatte. Diese Minute verschwand allerdings unwiderruflich aus seinem Bewusstsein.
In der Küche, in die er sich – an der Mauer festhaltend – geschleppt hatte, stand zwischen schmutzigen Tellern die fast leere zweite Flasche.
»Und wo ist die Mutter überhaupt?«, fragte sich Sascha.
Sein matter Blick fand die Uhr und er stellte fest, dass es noch sehr früh war. Er hatte wahrscheinlich fünf Stunden geschlafen.
Rasch räumte er das Geschirr ins Waschbecken, griff ein nicht ausgetrunkenes und ein anderes, nicht einmal angerührtes Schnapsglas, einen Kanten Brot, goss Wasser aus dem Hahn in ein hohes Glas. Als er in sein Zimmer ging, schloss die Mutter gerade die Tür auf.
Alles, was er mitgebracht hatte, stellt er auf den Diwan, legte sich auf das nicht gemachte Bett, auf die nackte Matratze, und stellte sich schlafend. Er wusste, die Mutter würde in zwei Minuten
Weitere Kostenlose Bücher