Sankya
hereinschauen und überprüfen, ob er zu Hause ist. Er ist zu Hause, liegt mit schwerem Schädel da, in dessen Innerem es widerwärtig heult. Die Zähne hat er nicht geputzt. Er sammelte den alten Speichel, spuckte auf den Heizkörper – wird schon trocken werden.
Die Mutter steckte ihren Kopf zur Tür herein – mit der Decke bis zum Kopf bedeckt, lag er mit offenen Augen da: Würde er sie schließen, käme alles hoch.
Die Zimmertür wurde sanft geschlossen.
»Mama hat ein bisschen länger als gewöhnlich geschaut«, dachte Sascha. »Sie ist in Sorge über das Geld, woher ich es genommen habe … Ich muss ihr wohl was vorlügen.«
Sascha beugte sich über den Rücken des Diwans, schnappte die Flasche mit den Wodkaresten. Zuerst wird es absolut widerlich sein, dann aber gut, belebend. Zuerst aber widerwärtig.
Er trank, schüttelte sich wie ein Hund, der gerade aus dem Wasser kommt. Er saß eine Minute da mit vor Ekel angewidert verzogenem Gesicht.
Er trank Wasser aus dem Glas nach und legte sich wieder hin. Jetzt können die Augen geschlossen werden und man kann horchen – wie alles innerlich erblüht.
»Nun? …«
Irgendetwas war da nicht, wie es sein sollte.
Sascha legte einen dickes Stück Brot auf seine Brust, riss ein bisschen vom Weichen ab, formte es zu einer Kugel, die er auf die Zunge legte.
Es lag dort. Das Brot zerging.
»Welche Jahreszeit ist eigentlich?«, fragte sich Sascha, horchte auf die Geräusche vor dem Fenster. Einige Sekunden spielte er den Idioten, verhaspelte sich absichtlich, als wüsste er tatsächlich nicht, ob draußen auf der Straße Winter oder Sommer war.
An Wochentag und Datum konnte er sich nicht erinnern. Ja, und an den Monat auch nicht, gestand sich Sascha plötzlich ein. Der Dezember hat offenbar schon begonnen. Allerdings schon vor längerer Zeit. Aber Neujahr war noch nicht … Bald ist doch Neujahr. Zum Teufel nochmal, und …
Und wieso »zum Teufel«? Als hätte er jemals Neujahr gefeiert. Im letzten Jahr hatte er sich ruhig hingelegt und bis zum Morgen geschlafen. Die Mutter hatte wieder einmal Nachtdienst. Sie hat jedes Mal in der Neujahrsnacht Dienst, dafür zahlen sie ihr dreieinhalb Rubel mehr.
»Den Winter errät man leicht, ohne die Augen zu öffnen«, dachte Sascha. Der Gedanke kam ihm gut vor. Rasch öffnete er die neue Flasche, trank direkt daraus, goss Wodka auf das bittere Feuer, hielt den Gedanken im Kopf, damit er sich nicht verlor, fiel wieder auf die Matratze, schloss die Augen. Ja, über den Winter …
Nun, das Einfachste wäre – der verspätete Hausmeister kratzt mit der Schaufel, schaufelt Schnee. Das ist ein sehr liebliches Geräusch, wenn du schläfst und nicht aufwachen musst. Du fühlst dich total wohl, weil es auf der Straße schneit, jemand arbeitet, und du liegst hier, unter der Decke. Du drehst dich auf die andere Seite und schwelgst in deinem Wohlgefühl.
Im Winter fahren die Autos langsamer, die Luft ist dumpfer. Der Bus fährt vorüber, als würde er neben den Kabeln laufen, als wäre der Raum verdichtet – man muss sich mit der ganzen Stirn abstützen. Die Straßenbahnen fahren zielstrebig dahin, in den Kurven dröhnen sie kaum, ihr metallischer Körper wird geschont.
Eine andere Sache ist der Frühling.
Dann gibt es viel Wasser, die Autos fahren da hindurch, laut, die Passanten schimpfen den Fahrzeugen hinterher, alle sind gut zu hören, die Luft ist leer und hat einen unangenehm nackten Geschmack, im Hals kratzt es ungut. Die Straßenbahnen führen sich ungenierter auf und drohen auseinanderzufallen. Der Nachbar hinter der Wand hustet so dröhnend, als wäre er ein Bär, der in einer Eispfütze aufgewacht ist – er hat die Tage, in denen der Schnee zu tauen begann, versäumt. Er ist aus der Bärenhöhle gekommen, abgemagert, verfilzt, missmutig – und dort haben ihn bösartige und betrunkene Reservisten geprügelt, gegen die Nieren, die Lungen, auf den Rücken. Genau so hustet der Nachbar, man könnte ihn totschlagen.
Im Laufe des Frühlings wird die Luft durchsichtig und fast unanständig mild, du fühlst dich wie ein aufgeblühter Fruchtknoten, die Zärtlichkeit überrascht den Verstand, es wird einem kotzübel davon.
Bei Frühlingsende ist die Welt von Tönen überfüllt, es scheint, als müsstest du bis zum Sommer taub werden. Macht nichts – du gewöhnst dich daran. Die morgendlichen Vögel – sagen wir, Spatzen … die Hunde im Hof und ihre heranwachsenden Welpen … betrunkene Lieder, Musik aus
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