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Sankya

Sankya

Titel: Sankya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zakhar Prilepin
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Krankenhaus, um dich umzubringen, was für ein Unsinn …«
    Das Mittagessen stand an.
    Die Pflegerin kam, brachte Essen, Sascha rührte es nicht an. Das Essen roch ekelhaft nach etwas Lebendigem und Warmem.
    Er bat Ljowa, der gutgelaunt vom Mittagessen zurückkehrte, das Tablett mit dem Essen zurückzutragen. Der tat das auch sofort.
    Dann bot er Sascha einen Apfel an, er war rosa und fest.
    Sascha hielt ihn in der Hand und legte ihn auf das Nachttischchen. Er wollte einfach nicht ohne Zähne hineinbeißen, und dabei riskieren, sich auch die anderen Zähne, die – wie sich herausstellte – auch wackelten, auszubrechen.
    Essen wollte er mittlerweile wieder. Er bat Ljowa um ein Messer, nahm den Apfel vom Nachttischchen, begann ihn in kleine Stücke zu zerschneiden, die er sich in den Mund schob. Er kaute vorsichtig – zerdrückte sie nur, den verletzten Kiefer bewegte er kaum.
    »Ein super Apfel«, sagte Sascha, und schwor sich im selben Moment, nie mehr ein Wort mit dem Buchstaben »s« auszusprechen, und gleich sprach er das nächste aus: »Ich habe nie so gute …«
    Ljowa schaute ihn plötzlich mit fröhlichen, wirklich freudigen Augen an. Er saß am Rand seines Bettes, schaukelte leicht hin und her – und war – wie es schien – bereit, in jedem Moment nicht nur aufzustehen, sondern aufzuspringen.
    »Hat dich jemand verprügelt?«, fragte Ljowa.
    Sascha runzelte die Stirn – eindeutig antworten wollte er nicht, alles genau erzählen – dazu hatte er keine Kraft.
    »Na dann erzähl es nicht, wenn du nicht willst«, sagte Ljowa.
    Sascha nickte.
    »Hast du ein Handy?«, fragte er.
    Schnell öffnete Ljowa die oberste Lade des Nachttisches und gab Sascha das Telefon.
    Sascha hielt es in der Hand und überlegte, wen er anrufen sollte.
    Die Mutter natürlich nicht.
    »Ich rufe im Bunker an …«, entschied er.
    Als er sich vorstellte und dem Diensthabenden mit wenigen Worten erzählte, wer und wo er sei, bemerkte er, dass er weder die Nummer des Krankenhauses, noch den Namen der Abteilung kannte, noch die Bettnummer – selbst vom Stockwerk hatte er nur eine vage Vorstellung. Vermutlich – das zweite. Es stellte sich heraus, dass es das dritte war – Ljowa sagte ihm alles vor.
    »Was ist denn geschehen?«, fragte der Diensthabende.
    »Das erzähl ich später«, antwortete Sascha.
    … Wen er nicht zu sehen erwartete, das war Rogow.
    Vierzig Minuten später kam er – kräftig und ruhig, er grinste, was besonders angenehm war, denn Rogow lächelte selten. Sascha verzog zur Antwort die gespaltenen Lippen und zeigte das Loch anstelle des Zahns.
    »Na hallo, die haben dich schön hergerichtet«, sagte Rogow und schob den Sessel an Saschas Bett.
    Sascha schaute Rogow fast zärtlich an. Er begann zu spüren, dass er nicht allein war, und dass er Brüder hatte. Rogow, der war ein Bruder, und er packte aus einer Tüte Kefir, Obst, Brot und ein Stück Schinken aus.
    »Kannst du sprechen?« – Rogow schaute Sascha aufmerksam an, als wollte er an Gesicht und Aussehen des Kameraden so viel wie möglich verstehen – und nichts Unnötiges fragen.
    Sascha nickte.
    Ljowa, der auf dem Bett lag, fragte: »Soll ich rausgehen?«
    Sascha überlegte und antwortete: »Egal. Bleiben Sie liegen …«
    Rogow dreht sich zu Ljowa nicht einmal um.
    Unter Mühen das Kinn bewegend und die Wörter aussprechend, begann Sascha zu erzählen. In aller Kürze, ohne besondere Details, sodass Ljowa nicht verstehen konnte, worum es eigentlich ging: »Jana rief an … Das Telefon hatte sie mir vorher selbst gegeben … Sie haben mich auf der Straße verhaftet … Verprügelten mich am Posten … Dann schlugen sie mich im Wald zusammen … Fragten, wer der Organisator der Aktion in Riga …« – und so weiter.
    »Selbst weggekrochen, ja. Zur Straße. Alles Weitere habe ich vergessen. Jemand hat mich aufgekratzt … Oder den Notarzt gerufen. Offenbar – den Notarzt.«
    Rogow zuckte mit der Lippe, überlegte.
    »Wir werden vorerst nichts tun«, sagte er. »Du musst liegen bleiben. Ist die Miliz schon zu dir gekommen?«
    »Nein.«
    »Merkwürdig, sie hätte kommen müssen …«
    »Wie bist du eigentlich hierher gekommen?«, fragte Sascha.
    »Ganz einfach, es blieb nichts anderes übrig. Wir haben dich gesucht.«
    »Und was ist dort los … im Baltikum?«
    »Dort ist alles bestens. Fünf Mann sprangen aus dem Zug, einfach durchs Fenster, bei einer Geschwindigkeit von siebzig … Dass sie dabei nicht erschlagen wurden – weiß der

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