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Sankya

Sankya

Titel: Sankya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zakhar Prilepin
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Teufel, wie das ging. Vier kamen bis nach Riga, nur einer hat sich das Bein gebrochen, ein Typ aus Nischnyj; am dritten Tag haben ihn die Letten im Wald gefunden, er ist Richtung Russland gekrochen … Zur selben Zeit besetzten die anderen den Turm und hielten sich dort sechs Stunden lang … Das reichte dafür, dass Journalisten sogar fast aus Japan angeflogen kamen … Es war ein weltweiter Skandal … Viele Leute riefen im Bunker an, bedankten sich. Matwej ist jetzt ununterbrochen auf den Beinen.
    »Und Jana?«
    »Über Jana sprechen wir dann noch. Sie ist hier.«
    »Sie haben sie nicht verhaftet?«
    »Sie ist im Bunker.«
    Rogow ging und Sascha schlief ein, er hatte keine Kraft mehr, über irgendetwas nachzudenken.
    Morgens erwachte er, sehr hungrig. Ljowa las irgendetwas – auf dem Bett und auf dem Nachttisch lag ein Haufen Bücher.
    Als er sah, dass Sascha sich bewegte, wünschte er ihm einen Guten Morgen und lächelte interessiert. Er wollte sich offenkundig unterhalten.
    »Guten Morgen«, antwortete Sascha nur die Lippen bewegend.
    »Willst du Tee?«, fragte Ljowa. Er hielt schon das Teewasser
in der Hand.
    Sascha blinzelte dankend.
    Er wollte die Zähne putzen – im Mund klebte blutiger Brei, oben am Gaumen. Aber es gab natürlich keine Zahnbürste.
    »Habe ich es richtig verstanden: Ihr seid ›Sojusniki‹, Sasch?«, fragte Ljowa beim Tee.
    »Genau die«, antwortete Sascha, und vermied den Namen der Partei, der mit dem Buchstaben »s« beginnt.
    Ljowa nickte.
    »Ich habe von eurer Aktion in Riga gehört. Ihr seid Helden.«
    Sascha schwieg weiterhin.
    Bis zum Abend sprachen sie nicht mehr über dieses Thema. Sascha wurde zu Behandlungen gerufen, Ljowa half ihm, aufzustehen, reichte ihm die Krücken. Beim Frühstück probierte er das Obst, das Mittagessen verschlief er, zum Abendessen aß er dann sogar ein wenig Grießbrei – Ljowa hatte ihn aus der Kantine geholt. Der Brei stellte sich als außergewöhnlich schmackhaft heraus, und der Tee danach – ebenso.
    Er spürte erstmals, dass es leicht war, gesund zu werden, genauer, dass er schon gesund wurde. Und er dachte noch einmal mit Genugtuung – dass er all das ausgehalten, dass er widerstanden hatte.
    Sascha befand sich in einem wunderbaren Seelenzustand.
    Er lächelte Ljowa sogar als Antwort zu, der selbst immer lächelte, wenn sein Blick mit einem anderen zusammentraf, aber in keiner Weise erniedrigt, nicht entschuldigend  – sondern wie ein lebendiger, satter und fröhlicher Hund zur Begrüßung mit dem Schwanz wedelt.
    Irgendwie unachtsam sprachen sie mit einander. Sascha erkundigte sich aus Freundlichkeit, warum Ljowa ins Krankenhaus gekommen war und vergaß sofort, was der geantwortet hatte. Ljowa interessierten seinerseits mehr als alles die »Sojusniki« – er hatte anscheinend nicht erwartet, je einen lebendigen Extremisten zu treffen, und schien sich wie ein Naturforscher über seinen Erfolg zu freuen. Er rieb sich sogar die Hände von Zeit zu Zeit – seine dicken Finger erregten keine Abneigung, im Gegenteil, es wirkte, als müsste es sehr gut sein, wenn eine solch weiche, warme Hand über den Kopf eines lockigen Jungen und Sohnes mit schwarzen Augen streicht. Und eine derartige Hand zur Begrüßung zu schütteln war auch gut, sie war kräftig, wollte aber nicht alle Gelenke gleichzeitig zerquetschen.
    »Nein, ihr seid natürlich eine wunderbare Pflanze in der Politik, einzigartig«, sagte Ljowa, und Sascha zwinkerte wegen dieser »Pflanze« einige Male, war deshalb natürlich auch nicht beleidigt. »Aber was wollt ihr? Weißt du, ich kann es gerne zugeben – ich war lange Zeit für euch, solange ihr gleichermaßen von ›Linken‹ wie ›Rechten‹, von Patrioten und Liberalen entfernt wart. Ich hatte den Eindruck, ihr wärt aufgetaucht, um eine neue Grundlage zu schaffen, einen neuen Boden, als Ersatz für den alten, der alle Fruchtbarkeit, ja überhaupt alles verloren hatte.«
    »Außer die Gräber«, sagte Sascha.
    »Ja, ja, außer die Gräber«, stimmte Ljowa zu, und sprang mit seinen Gedanken sogleich weiter. »Aber ich habe immer mehr den Eindruck, dass ihr in letzter Zeit abgerutscht seid … also, irgendwie Richtung ›Schwarzhundertschaft‹ . Nein? Ich spreche jetzt natürlich nicht von Riga – diese dumme  Polizei  gehört schon lange zurechtgestutzt. Und ich sage auch nicht, dass ihr die Absicht habt, ›Saujuden zu knacken‹ – Gott sei Dank, das braucht man bei den ›Sojusniki‹ nicht zu befürchten. Aber

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