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Sanssouci

Sanssouci

Titel: Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Maier
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Das war, wie gesagt, noch angenehm, weil es von Distanz zeugte. Später aber wurde Malkowski zusehends hemmungsloser, er ging inzwischen einfach davon aus, daß Hofmann wußte, was los war, er sah ihn folglich als einen Geheimnisteiler, ein Mitschwein, einen von seiner Sorte (vielleicht waren ja für Malkowski alle so). Noch später wurde er geradezu kumpelhaft, dabei aber immer tyrannischer.Inzwischen duzte er ihn auch. Damit war Ludwig Hofmann für Heiko Malkowski endgültig leibeigen geworden.
    Das mit dem Mitschwein war natürlich nur eine Vermutung. Es basierte alles auf Vermutung. Was Hofmann manchmal beunruhigte, war sein eigenes Desinteresse an der ganzen Sache. Er hätte ja den Laptop anschalten und selbst ein wenig suchen können, um seine Vermutungen zu bestätigen. Dann hätte er selbst entscheiden können, ob er Malkowski das Betreffende in die Hand geben sollte oder nicht. Aber so etwas, das wußte er noch, ging meistens nicht gut.
    Heute war er im Büro in der Rudolf-Breitscheid-Straße, also im Sender (Babelsberg), und lieferte den Computer ab, den er unter dem Arm dort hingetragen hatte. Malkowski steckte ihm das übliche Salär zu. Anschließend mußte Hofmann auf dem Gang warten, weil Malkowski einen Termin hatte: Es kam ein Mann, der wie ein russischer Mönch aussah, vermutlich ein Schauspieler. Vielleicht war der russische Mönch auch echt, und Malkowski hatte sich ihn besorgt, um ihn in Oststadt zu verramschen, für einen Kurzauftritt, zwanzig Euro. Ohne Einweihung ins Drehbuch.
    Warum sollte man einen Russen in etwas einweihen?
    Als der Mönch / Schauspieler erschienen war, hatte Malkowski zu Hofmann gesagt (diesmal wieder unter Vermeidung von »Sie« und »du«): Dann bitte mal draußen warten einen Augenblick. Es klang wie bei einem Arzt.
    Aus dem Augenblick wurde eine halbe Stunde, die Tür (eine schwere Schallschutztür) blieb geschlossen, undHofmann setzte sich an einen Platz, an dem er nicht rauchen durfte, denn nirgendwo in dem riesigen Sendestudio durfte geraucht werden.
    Das mußte man sich einmal vorstellen: ein Land, in dem nirgends geraucht werden durfte. Nicht im Büro, nicht in der Firma, nicht auf dem Amt. Nur die russischen Gartenaushilfen in den Gärten durften noch rauchen. Aber wie lange noch? Einige Jahre später, und Hofmann hätte sich nicht mehr totrauchen können in diesem Land, weil es ihm einfach verboten worden wäre. Hier wird sich nicht totgeraucht! Das würde er, gottseidank, nicht mehr erleben.
    Er saß auf einem der filzbezogenen, hypermodernen anthrazitfarbenen Plastikschalenstühle, die auf dem Gang herumstanden wie in einer Designerlounge. Hier hatten sie Geld. Hofmann betrachtete die vorbeikommenden Menschen. Die meisten wirkten glücklich. Sie sahen nicht aus, als würden sie arbeiten. Sie standen aber auch nicht herum. Alle waren in einem bestimmten Alter. Alles war sauber. Sehr sauber. Dieser Staat würde diese Sendeanstalt sicher mit aller Gewalt schützen. Dort, wo Geld war und wo es sauber war im Staat, dort war es für den Staat wichtig. Selbst die Türgriffe, alles neu. Hofmann sah den Sender vor seinem geistigen Auge besetzt von den Pennern Potsdams mit ihren Fuselflaschen, unterstützt von den Jugendlichen, mit denen kein Staat mehr zu machen war. Dann wären die Panzer in diesem Land aber blitzschnell vor dem Gebäude, soviel wußte Hofmann noch.
    Aus einer Tür kam eine Frau, die wie alle anderen um die dreißig oder fünfunddreißig war, ging beschwingtenSchrittes mit einem Stück Papier in der Hand an ihm vorbei, lächelte ihn an, als gäbe es heute einen Grund für besonders gute Laune (oder weil das Wetter so schön war), dann klopfte sie an eine andere Tür, verschwand in dieser, kam nach zwei Minuten wieder heraus, wirkte noch besser gelaunt, hatte immer noch das Papier in der Hand, lächelte Hofmann erneut an und verschwand wieder hinter ihrer eigenen Tür. Es war ein freundliches Betriebsklima im Sender. Alle, die an ihm vorbeikamen, lächelten. Hofmann wollte rauchen. Dann ging Malkowskis Tür auf, der Mönch / Schauspieler kam heraus und schien ebenfalls sehr guter Laune, auch er lächelte und war beim Abschied sehr höflich zu Malkowski … vielleicht war er engagiert.
    Eigentlich wollte Malkowski nur noch wissen, wo er den Rechner gefunden hatte. Hofmann betrachtete seinen Auftraggeber. Heiko Malkowski war schlank, hatte eine sportliche Figur, trug angenehme Kleidung, ordentlich frisierte Haare, aber nicht übertrieben ordentlich.

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