Sanssouci
Auftraggeber, es sei dabei gefilmt worden. Hofmann war nun schon mehrfach in dem Haus gewesen und wollte Malkowski morgen etwas präsentieren, was dieser gar nicht bestellt hatte. Da es nämlich im ganzen Haus keine DVDs und keine Videofilme gab und er, Hofmann, auch selbst nachdenken konnte, war seinAugenmerk auf eine bestimmte andere Sache gefallen. Die wollte er heute nacht aus dem Haus holen. Wie immer lief er durch das ganze Haus. Im oberen Stock schlief jemand. Hofmann stieg schnell die Treppe hinab, eilte in den Raum neben der Küche, nahm dort den Laptop an sich und verschwand.
Ein russischer Esel
Unangenehm an Heiko Malkowski war für Ludwig Hofmann auch folgendes. Das heißt, am Anfang war es angenehm gewesen und hatte sich dann in sein Gegenteil verkehrt: Anfänglich war Malkowski ihm gegenüber erfreulich distanziert gewesen. Hier können Sie mähen, dort hinten ist der Schuppen, hier haben Sie den Schlüssel etcetera . Dann nahm Malkowski (schleichend) davon Abstand, ihn zu siezen. Das heißt nicht, daß er ihn sogleich duzte. Er mied nur immer häufiger das »Sie«. Er benutzte unpersönliche Wendungen wie: Hier die Rosen, die müssen geschnitten werden. Der Mäher braucht Benzin, kann man vorn an der Ecke an der Tankstelle … Schließlich ging Malkowski dazu über, von ihm, Hofmann, in der dritten Person zu sprechen. Wie geht es denn dem Herrn Hofmann heute? Der Herr Hofmann kann heute die Hecke schneiden, er weiß ja, die elektrische Schere findet er im Schuppen.
Sonst fand Herr Hofmann nichts im Schuppen, obgleich ihm schon bald dämmerte, daß er da einen Menschen mit ausgeprägtem Doppelleben vor sich haben könnte. Zufinden war ohnehin einiges in den Potsdamer Schuppen, quer durch die Gärten der Stadt. Die Bevölkerung neigte zu Depots. Wobei man sagen mußte, daß die einfachen Dinge, die bloßen Magazine, meistens ganz offen in einer Ecke des Schuppens herumlagen. Muß ja nicht der Hausherr gewesen sein, kann ja auch dem Gärtner oder der Gartenhilfe oder dem Russen da, der neuerdings kommt, gehören, brauchen auch etwas zum Leben, und zu Hause haben sie es da schwer, kleine Wohnung, wo soll man da deponieren, also bringen sie es in den Schuppen, zehntausend Kilometer von der Heimat entfernt, wo für sie vielleicht auch einiges leichter gewesen war.
Manche in den Magazinen sahen aus wie Anastasia. Hauptsächlich das war es, was Hofmann verbot, sich einem genauen anatomischen Studium der diversen Geschlechtsteile zu unterziehen. Er hatte dort überhaupt nie so genau hingeschaut. Auch bei seiner eigenen Frau nicht. Und heute sowieso nicht mehr. Er entzündete eine Zigarette, sog den Rauch tief in sich hinein und dachte halb glücklich: Wie gut, daß das bald vorbei ist. Er ließ die Magazine liegen wie den Mähkorb an Tagen, an denen er nicht mähte. Er beachtete ihn dann gar nicht.
Dann gab es die versteckten Dinge. Die waren nicht so leicht zu finden, aber die Verstecke wiederholten sich doch immer wieder. Jeder Kriminelle hätte es besser gemacht.
Hofmann fand in Potsdam: Ketten, Klammern, Tücher, Gürtel, und sehr oft fand er Damenunterwäsche. Er fand Nadeln, er fand Desinfektionsmittel, er fand Telefonnummern, er fand DVDs, auf denen keine Geschlechtsorganeabgebildet waren, aber andere Dinge, die er gleich wieder vergaß. Zwecklos, sich da hineinzudenken. Er hatte sich überdies den Kinderglauben bewahrt, daß gewisse Dinge, wenn man vor ihnen die Augen verschließt, einfach gar nicht da sind. Herr Hofmann rauchte lieber und ließ seiner Betrachtung der Menschen in den verschiedenen Schuppen freie Bahn. Übrigens suchte er diese Verstecke nicht mit Absicht, er fand sie immer von selbst, weil er ohnehin dauernd in den Schuppen herumräumte, und da lockerten sich Bretter, oder man sah frische Erdspuren vor einem Balken (der war wohl vor kurzem noch weggezogen worden), und es ärgerte Herrn Hofmann schon sehr, ja, er sah es sogar als Mißachtung seiner Person, daß die Leute alle diese Dinge zwar akkurat vor ihrer Gattin (oder ihrem Gatten) versteckten, weil die (oder der) ohnehin nie den Schuppen betrat, aber nicht ebenso akkurat vor ihm, der Gartenhilfe. Als zählte er nicht.
Als Malkowski ihm zum ersten Mal das Ansinnen vortrug, in jenes Haus zu gehen, war das fast devot geschehen. Malkowski schämte sich, man merkte es. Sprechen über das, was vorlag, tat er freilich nicht. Die Deutschen nannten das Herumdrucksen. Herr Hofmann quittierte es mit professioneller Miene, also reglos.
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