Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sanssouci

Sanssouci

Titel: Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Maier
Vom Netzwerk:
Seine Augen blickten hell und klar. Er strahlte einen gewissen Optimismus und eine gewisse Leistungsbereitschaft aus, und er hatte, wenn er wollte, sehr höfliche und freundliche Umgangsformen an sich. Darüber hinaus hatte er eine ausgezeichnete Stellung, seine Frau sah gut aus, war schlank, jung, völlig anders als seine, Hofmanns, Frau, die vollkommen verbraucht war, wie er … im Grunde sah Heiko Malkowski aus wie ein furchtbar angenehmer Mensch. Oder zumindest mußte er für Leute so aussehen, die mit ihm noch keine Erfahrungen gemacht hatten.
    Aber er hatte ihn ja nur im Verdacht. Das gehörte dazu, daß es immer nur ein Verdacht war. Hofmann stand bald wieder draußen auf dem Gang, auf dem niemand rauchte.
    Auch unten, im Foyer, war alles sauber, glatt, spiegelblank, sogar der Pförtner war jung, schlank und extrem nett.
    Wenn die Panzer vor dem Sender stünden, dann müßten eben auch die Panzer von den Pennern und den Jugendlichen besetzt werden, mit denen kein Staat mehr zu machen war. Dann wäre Ruhe. Was wäre das für ein Staat: wenn alle Positionen von solchen Leuten besetzt wären, mit denen kein Staat mehr zu machen ist …
    Hofmann zündete sich eine Zigarette an, atmete den Rauch tief ein und genoß seine gedankliche Utopie. Zu Hause angekommen, lief er zu seiner Garage, holte aus einem Regal hinter einer Werkzeugkiste die Festplatte hervor, die er in der Nacht ebenfalls aus der Gregoriusstraße mitgenommen, seinem Auftraggeber aber aus übertriebenem Wagemut noch nicht ausgehändigt hatte (hatte er tatsächlich geglaubt, er würde die Festplatte auf eigene Faust durchstöbern?), legte sie auf den Tisch und beschloß, sie Malkowski morgen zu bringen, wofür es immerhin wieder fünfzig Euro geben würde. Eigentlich eine horrende Summe.
    So führte Herr Ludwig Hofmann sein Leben in Deutschland und ging wirklich nicht davon aus, daß es noch einmal anders würde. Es würde nur alles mit Anstand zu Ende gebracht werden. In seiner Garage sagte er sich mit Blick auf die Festplatte: Stell dir mal vor, duwürdest da finden, was er sucht. Möchtest du das sehen? Die beiden Zwillinge, Malkowski, bei schlechtem Licht, miserabler Ausleuchtung, ein Bild mit Teppich, Couch und Wohnzimmertisch. Oder mit ganz anderen Menschen. Überhaupt mit ganz verschiedenen Lebewesen, Handlungen, Instrumenten, Mitteln und Hilfsmitteln. Der Mann mit doppeltem Boden und einem unverdächtigen Schuppen. Und vielleicht hatte er für all das einen ordentlichen Preis gezahlt. Oder muß ihn noch zahlen. Bar oder anderweitig. Ist alles denkbar. Muß man sich alles lieber nicht vorstellen. Und du bist nicht nach Deutschland gekommen, um die Welt kennenzulernen, sondern du hast sie vorher schon gekannt, sie ist nämlich allerorten gleich, denn die Menschen sind allerorten gleich, das ist ein ewiges Gesetz, und auf diese Weise wird ein Staat gemacht. Nach außen gibt es die Öffentlichkeit, dann gibt es die private Öffentlichkeit, das nennen sie Privatleben, das Leben mit der Frau, der Tochter, dem Sohn, den Freunden, den Bekannten. Und dann gibt es das private Privatleben, das gar nicht öffentliche. Da gibt es dann nur noch Mitwisser. Und ich, Ludwig Hofmann aus Omsk, möchte das private Privatleben von diesem Deutschen nicht wissen. Ich möchte gar nichts wissen. Daran halte ich mich, denn ich bin nur ein Esel. Ein russischer Esel auf Stammtischniveau. Mit dem kein Staat mehr zu machen ist.
    Gottseidank nicht.
    Sagte sich Herr Hofmann in seiner Garage und schenkte sich ein Gläschen Wodka ein.
Tochter eines russischen Esels
    Über das, worüber Herr Ludwig Hofmann noch nachdachte, wenn auch, wie er meinte, nur mehr auf Stammtischniveau, hätte seine Tochter Anastasia niemals nachgedacht. Für sie war alles, was sie erlebte, gut, richtig und vollkommen normal, auch wenn ihr die Eltern und besonders der geliebte kranke Vater natürlich leid taten. Wenn man sie gefragt hätte, warum ihr die Eltern und besonders der geliebte Vater leid taten, hätte sie gesagt, er hatte in Omsk doch ein gutes Leben und eine gute Stellung gehabt, und jetzt hat er keine Stellung, jetzt führt er ein einsames und trauriges Leben, einsamer und trauriger als früher. Hätte man sie gefragt, woran das liege, dann hätte sie einen mit großen kastanienfarbenen, mandelförmigen Augen angeschaut und gesagt, er sei ins Unglück hineingeraten, einfach ins Unglück (damit hätte sie die Bundesrepublik gemeint). Sie hätte ihren Vater in allem und jedem verteidigt, und

Weitere Kostenlose Bücher