Sanssouci
nicht zusammenlebt, und dafür ein Leben lang ein Kind und neun Jahre so eine Frau bezahlen? Meckel: Von der Perspektive der Frau aus gesehen kein schlechtes Geschäft. Friedrichsen: Aber das ist doch sinnlos. Die Kulturdezernentin: Nun ist er ja auch tot. Geld hinterläßt er übrigens keines, Immobilien auch nicht. Die Mutter ist jetzt am richtigen Vater dran. Meckel: Sie braucht ja Unterhalt. Die Kulturdezernentin: Also ist sie zum Rechtsanwalt gegangen, um den biologischen Vater feststellen zu lassen,der offenbar unser Dr. Mai ist. Friedrichsen: Mit dem sie allerdings nicht verheiratet ist. Sie: Nein. Der Oberbürgermeister sagte, daß er die ganze Geschichte nicht verstehe. Wieso hat dieser Hornung nicht nur die kompletten Kosten übernommen, sondern sich auch noch diese neun Jahre aufgehalst? Die Kupski: Wer weiß, was da lief. Der Magistratsvorsitzende: Wer schaut schon in die Betten dieser Stadt? Friedrichsen: Der Boulevard. Der Magistratsvorsitzende: Eben. Friedrichsen: Dann haben wir, in aller Kürze gesagt, ein Problem. Die Kupski: Das können Sie laut sagen.
Friedrichsen lehnte sich zurück, faltete die Hände und schaute nach oben zur Stuckdecke. Dann sagte er, nachdem er sämtliche Risiken im Kopf abgewogen hatte: Da müssen wir jetzt durch. Wir sind ja nicht für die Leute verantwortlich, die hier künstlerisch tätig sind. Es ist doch eine ganz gewöhnliche Geschichte, letztlich.
Der Magistratsvorsitzende: Sie finden es gewöhnlich, daß sich ein Verrückter neun Jahre an so eine Frau bindet? Ich habe mal, einen Augenblick, warten Sie, hier ist ein Zettel … ich habe aufgeschrieben, was ihn das gekostet hätte, wenn er die neun Jahre erlebt hätte. Neunmal die Frau, fünfundzwanzigmal das Kind, das kommt summa summarum und grob gesagt auf … für die Frau einhundertzweiundsechzigtausend Euro, für das Kind etwa einhundertfünfzigtausend Euro, also insgesamt dreihundertzwölftausend Euro, davon überschlägig gesagt zweihunderttausend Euro in den ersten neun Jahren. Pro Jahr also mehr als zwanzigtausend Euro. Nach Steuern. Das heißt, der Betreffende kann um dieeintausendachthundert Euro im Monat für diese Madame hinlegen. Nach Steuern!
Friedrichsen sagte, er dachte immer, diese Künstler hätten nicht soviel Geld. Immerhin sei er vermutlich bei Oststadt nicht ganz leer ausgegangen.
Meckel, Kupski und der Magistratsvorsitzende schauten hierbei unter sich beziehungsweise auf verschiedene Stellen auf dem Boden. Irgend etwas schien dort ihr Interesse zu wecken. Was ist denn, meine Damen und Herren, fragte Friedrichsen.
Nun, sagte Frau Kupski, vielleicht haben wir Ihnen die Sache noch nicht in ihrer Kompliziertheit, oder sagen wir, Komplexität …
… kurz, in ihrem ganzen Ausmaß, warf der Magistratsvorsitzende ein …
… nahegebracht, vollendete die Kulturdezernentin ihren Satz. Wir haben ja, wie gesagt, über all das bloß Vermutungen. Aber überlegen Sie sich, wie würden die Medien diese Geschichte erzählen?
Der Oberbürgermeister antwortete, da gebe es nicht viel zu erzählen. Westdeutscher zeugt Kind in Potsdam und verschwindet. Oder es ist eine Geschichte von »zwei Männern und einer Frau«. Es wird lediglich zeigen, wie unsolide wir in der Bewertung der angeworbenen Personen waren, zumindet unter dem spießbürgerlichen Gesichtspunkt, mit dem die Boulevardpresse alles betrachtet. Die legen ja immer das Maß der normalen Bevölkerung an, und da ist man nach wie vor hingerichtet, wenn man ein außereheliches Kind hat.
Ihren Optimismus in Ehren, sagte Frau Kupski, aber das ist nicht das ganze Ausmaß. Bedenken Sie, welche Popularität Hornung durch diese Fernsehserie gewonnen hat. Bedenken Sie auch, wie diese Serie allgemein aufgenommen wird.
Friedrichsen: Sie wird, soweit ich weiß, als Lächerlichmachung der Stadt aufgenommen bzw. als realsatirische Darlegung dessen, was in unserer Stadt, wie wir ja alle wissen, der Fall ist.
Der Magistratsvorsitzende: Für die einen ist Oststadt eine Unverschämtheit, für die anderen die Wahrheit.
Der Oberbürgermeister: Die Wahrheit ist in den allermeisten Fällen die schlimmste aller Unverschämtheiten. Aber ich konnte stets damit leben. Die Öffentlichkeit ist eine Form des Wahnsinns, das ist uns allen klar, das ist der erste Satz, den man als Politiker lernt, und der letzte, der je diese vier Wände hier verlassen darf. Kommen Sie bitte zum Punkt. Was ist das eigentliche Skandalon?
Frau Kupski: Ich sage noch einmal, es geht nur darum,
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