Santiago, Santiago
Hauses erinnern. Im übrigen ist sein Geist auf devisenbringende Touristen und nicht auf arme Pilger ausgerichtet. So versuchen wir es im Hotel San Teresita — und machen dabei eine neue Erfahrung.
San Teresita ist nämlich einem Frauenkloster angeschlossen, das zum Orden der Santa Bernarda gehört. Durch einen ummauerten Garten kommen wir in eine kleine Halle mit einem Schalter. Eine Ordensschwester empfängt uns freundlich. Doch wir merken, daß sie eine Frau mit bestimmten Ansichten ist. Es gibt ein Zimmer für uns im Hotel, und ich muß ihr meinen Namen angeben. Da ich weiß, daß man »Aebli« in romanischen Sprachgebieten schlecht versteht, versuche ich ihn auf spanisch zu buchstabieren. Aber mit welchen Referenzwörtern? Ich probiere es so: »A como Antonio«. Die Schwester korrigiert mich freundlich, aber bestimmt: »Como Argentina«. Gut, A como Argentina.
Also weiter: E wie...? Ich habe das Unglück, »E como Emil« zu sagen und merke alsbald, daß ich sozusagen die spanische Nation beleidigt habe. Es heißt natürlich »E como España.« Doch ich habe das Prinzip nun endlich begriffen. Wenn ich nur wüßte, wie Belgien auf spanisch heißt. Ich versuche es mit »B como Belgia«. Das ist zwar falsch, aber die Schwester erkennt mit sicherem pädagogischem Blick, daß ich die Regel nun doch erfaßt habe. Schon eine Spur ermunternd, sagt sie: »Como Bélgica«. Ich fasse meinerseits wieder ein wenig Mut.
Wie nun weiter? L wie was? Bei »Lettland« bin ich nicht einmal sicher, wie es auf englisch oder französisch heißt, was soll ich da auf spanisch sagen? Sonst kommt mir nur noch Luxemburg in den Sinn. Also mache ich es wie die Schüler und fange einmal an: »L como Lux..., Luxem...« Die Schwester versteht meinen hilfesuchenden Blick und hilft mir das Wort fertig sagen: »Luxemburgo«. Nur ihr Ton deutet an, dies sei nun doch wirklich einfach gewesen. In der Tat, es war einfach. Ich habe indessen schon weitergedacht. (Ein kluger Schüler denkt voraus.) Zuversichtlich sage ich: »I como Italia«, und siehe da, es ist richtig. Ich genieße meinen Erfolg und schweige. Aber die Schwester ist mit diesem Namen nicht zufrieden, sie fragt fast ein wenig ungeduldig: »Und dann?« Jetzt kommt mein kleiner Sieg. Wie ich es beim Einkaufen gelernt habe, wenn man mich »Was sonst noch?« fragt, antworte ich freundlich, aber bestimmt: »Nada más.« »Sonst nichts mehr.« Die Schwester sagt: »Ach so, also gut.« Der kleine Schlagabtausch ist beendet. Der Name der Schwester ist »Purificación«, wie wir später erfahren. Ich bin sicher, daß sie eine gute Erzieherin ist. Mindestens ist in ihrem Denken Richtig und Falsch klar geschieden.
Nach diesem etwas schwierigen Auftakt wird unser Aufenthalt bei den Schwestern jedoch zu einem Erlebnis, an das wir gerne zurückdenken. Die Gäste des Hotels sind vor allem alte Spanierinnen, zum Teil einfache Frauen, zum Teil distinguierte Damen. Wir lernen sie im großen Eßsaal kennen und beobachten ihre Gespräche. Die wenigen Männer fühlen sich in dieser Umgebung ein bißchen verloren, machen aber gute Miene zum schwierigen Spiel, rauchen eine Zigarre weniger und drücken sich etwas gepflegter aus, als sie es im heimatlichen Wirtshaus wahrscheinlich tun. Der Betrieb ist geordnet. Da kommt nicht jeder zum Essen, wann er will, und man ißt, was es gibt. Eine Viertelstunde vor den Essenszeiten sammeln sich die Gäste in einem Vorraum des Eßsaals. Die Gespräche sind gedämpft, weil viele denken, was es heute wohl gebe. Dann wird pünktlich eine Durchgangstür geöffnet, und die Gäste strömen durch die schmale Pforte in den großen Saal. Die jungen Mädchen, die uns bedienen, sind sehr freundlich, und die Schwester, die über allem wacht, hat einen herzlichen Ton und ist um das Wohl ihrer Gäste besorgt. Nur unser pilgerlicher Appetit beim Frühstück erregt einiges Aufsehen, denn die durchschnittliche spanische Dame gibt sich mit einem kleinen Brötchen zufrieden, und ihr Gemahl drückt unterdessen eine halb gerauchte Zigarette aus.
Santo Domingo: Der Hahn kräht während der Messe
Die Erfahrung dieser quasi-klösterlichen Welt ist für uns so neu und erfreulich, daß wir noch einen Tag bleiben. Die Stadt und ihre Kathedrale lohnen es auch. Die letztere ist nicht aus einem Guß, sie hat eine komplizierte Geschichte. Ihre Besonderheit ist jedoch das Hühnerhaus im Inneren der Kirche neben dem Haupteingang, ein großer, vergoldeter und erhöhter Käfig mit einem lebendigen,
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