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Santiago, Santiago

Santiago, Santiago

Titel: Santiago, Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Aebli
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Durchwandern ein.
Wir sind jetzt unten. Hier fließt ein kleiner Bach, bildet da und dort eine sumpfige Stelle, wo Birken, Binsen und allerlei Büsche wachsen. Wir haben den Weg gefunden. Er ist weich und elastisch, dann wird er wieder hart und trocken, aber er zieht nun schön nach Westen, wie wir es erwartet haben. Wir steigen ganz allmählich auf, die Waldstücke werden größer, dazwischen dehnen sich Weiden, auf denen Rinder unbeaufsichtigt weiden.
Dann eine Weggabel. Es sind gleich drei Wege, und alle zeigen wenig Spuren der Begehung. Auf der Karte entdecken wir nichts Entsprechendes. Welchen Weg also wählen? Welcher wird weiterführen, und welche zwei werden blind auf einer Weide oder einem Acker enden? Wir wählen den nördlichsten der drei, er scheint uns am natürlichsten vorwärts zu führen. Das tut er auch während des nächsten Kilometers. Doch dann zieht er immer mehr nach rechts. Ich kontrolliere es mit dem Kompaß: seine Richtung ist schon fast genau Norden. Astorga liegt im Westen.
Was tun? Wir versuchen es wieder einmal querfeldein, indem wir nach Süden tendieren. Einsamkeit umgibt uns. Wir gehen auf hartem, rissigem Boden durch hohes, dürres Gras, müssen den Büschen und Steineichen ausweichen und dabei die Richtung zu halten suchen. Die Sonne macht das möglich, ein eigentlicher Kompaßmarsch ist nicht nötig.
Die Übersicht ist schlecht. Der Hügelzug ist zu flach, als daß man die unmittelbare Umgebung überblicken könnte. Verena ist die Lage nicht mehr ganz geheuer. Aber im rechten Moment stoßen wir auf eine künstliche Waldschneise, einen Cortafuego, und in seiner Mitte verläuft der Weg, den wir suchen. Bald verläßt er auch die Schneise und führt sanft fallend nach Westen.
Wir finden, wir hätten nach dem Abenteuer und seinem glücklichen Ausgang eine Pause verdient, und lagern uns abseits vom Weg zwischen den Steineichen im dürren Gras, neben aromatisch riechenden niedrigen Büschen. Schmetterlinge flattern von Blume zu Blume, und in der Luft tönt noch einmal das Summen der heißen Sommertage.
Dann in ein Tälchen hinunter und auf der Gegenseite hinauf — und eine neue Überraschung: es gibt kein Hinunter mehr. Wir sind auf einer höheren Stufe der Meseta. Sie erstreckt sich vor uns so topfeben, wie wir sie in den letzten Tagen gekannt haben. Also noch einmal der Marsch über den geradegelegten Feldweg, in der Hitze des Nachmittags. Das Stück dauert zum Glück wenige Kilometer, dann senkt sich die Landschaft wieder, und auf der Gegenseite erkennen wir nun im Dunst den Gebirgszug, der die leonesische Meseta abschließt, und an seinem Fuße, auf einem Bergsporn, die Dächer und Türme von Astorga.
Das Sträßchen führt durch Kastanienhaine und Pfirsichplantagen abwärts. Wir genießen die Kühle ihres Schattens. Hier treffen wir auch wieder auf die ersten Menschen und Tiere: ein Maultier steht geduldig vor einem Zweiräderkarren. Sein Lederzeug ist alte, sorgfältige Sattlerarbeit. Der Bauer hat Maispflanzen geholt, offensichtlich als Futter für seine Tiere. Dann kommen wir ins stattliche Dorf San Justo de la Vega, am Rande der Talebene, die uns noch von Astorga trennt.
Dies ist der Tag der guten Menschen. Wir grüßen im Dorf eine kleine, ältere Frau im schwarzen Kleid und Kopftuch und fragen, ob es hier eine Gaststätte gebe. Sie antwortet, wir sollen doch mit ihr kommen, sie würde uns gerne etwas zu trinken anbieten. Das nehmen wir gerne an, auch darum, weil wir bisher nur wenige spanische Häuser von innen gesehen haben.
Wir treten durch eine kleine Tür in einen ummauerten Hof und über eine Holztreppe in ein altes niedriges Haus. Es ist aber sauber geweißelt, und es herrscht darin die gute Ordnung einer tüchtigen Hausfrau. Sie führt uns in ihre Küche. Diese ist zu unserer Überraschung durchaus modern eingerichtet. Ob wir ein Glas Wein oder ein Fläschchen Bier möchten? Mir ist das letztere mehr als recht, Verena verzichtet auf Alkohol, solange wir nicht am Ziel sind. Und wir hätten doch sicher auch Hunger, ob wir ein wenig von der selbstgemachten Wurst, dem Chorrizo, wollten, sie hätte da gerade frisches Brot geholt. Wir versuchen — und loben — die Wurst und erkundigen uns nach der Herstellungsweise.
Inzwischen ist die Schwiegertochter der Frau erschienen und gleich wieder verschwunden, um mit einem Stück lokalem Käse wiederzukommen. Wir müssen ihn unbedingt versuchen. Anlaß, über die Kinder zu sprechen. Wir berichten von unseren vieren, und die

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