Santiago, Santiago
Das wäre es schon. Wir werden etwa 25 Kilometer gehen und uns dann so lange ausruhen, bis uns die Kälte des Abends weitertreibt. Den Rest werden wir als Nachtmarsch bewältigen.
Ein freundlicher Taxifahrer fährt uns am frühen Morgen aus der Stadt hinaus, bis nach Castrillo de Polvazares, einem malerischen Straßendorf. Hier nehmen wir den Weg unter die Füße. Noch nichts von einer Bergtour. Die Landschaft steigt ganz langsam an, und es zeichnen sich erst einige Hügel und trockene Täler ab. Wir schneiden auf eigene Faust einen großen Bogen des schmalen Asphaltsträßchens ab und wandern auf einem alten Weg auf Santa Catalina zu, dem ersten Dorf auf unserer heutigen Etappe.
Wieder kein Mensch. Der Weg verläuft zwischen überwachsenen Mauern, zwischen Ginster, Heckenrosenbüschen und Steineichen. Die Disteln sind nun verblüht, wir unterscheiden sie nur noch an ihren verschiedenartigen Fruchtständen. Nur ein geringer Teil der Felder ist bebaut, in den übrigen steht hohes, dürres Gras, und es wachsen Büsche. Bald wird es Niederwald sein.
In Santa Catalina sehen wir einige Menschen. Eine Frau verbrennt in einem Garten dürre Pflanzen, zwei ältere Männer stehen auf der Straße, und ein junger Bursche, bekleidet mit einer Jeanshose und einem ausgemusterten Waffenrock der spanischen Armee, stößt die Tür eines Schuppens auf und verschwindet darin, ohne sich umzusehen. Wir beginnen etwas von der Problematik des Landstriches zu ahnen.
Die gelben Wegzeichen verweisen uns für die nächsten vier Kilometer auf das Sträßchen. Ich bemerke aber auf der Karte parallel dazu, in etwa 250 Meter Entfernung, einen Fußweg. Warum nicht diesen benützen? Wir suchen ihn auf und finden, daß er auf der Höhe eines Hügelzuges bequem vorwärtsführt. Zu unserer Rechten zieht ein einsames Tal gegen Osten, mit Waldflecken, Weiden und wenigen Feldern, eine Welt, die vom Menschen schon fast ganz verlassen ist. Dahinter beginnen sich waldige Berge zu profilieren.
Wir kommen von der Seite nach El Ganso hinein. Der große Teil der Häuser, die nicht an der Straße stehen, ist mit Stroh bedeckt, aber keines von ihnen scheint mehr bewohnt zu sein. Löcher gähnen in den Dächern.
Es hat leicht zu regnen begonnen. Wir machen vor der verschlossenen Kirche einen Halt und packen unseren Regenschutz aus. Ich finde den Aufgang zur Glockenmauer. Es ist gute Zimmermannsarbeit, eine gedeckte Treppe, die über das Kirchendach zu den Glocken führt. Sie sind im Jahre 1841 gegossen worden.
Am Dorfausgang treffen wir auf ein großartiges Ochsengespann, einen Zweiräderwagen mit hohen, eisenbeschlagenen Rädern, die Tiere am gemeinsamen Joch, das direkt an der Deichsel befestigt ist, ohne Zugstricke, die Joche einfach an den Hörnern befestigt. Der Bauer steht auf der Brücke des Gefährtes, mit dem Stock in der Hand. Ich betrachte die gepflügten Felder: die Furchen sind wenig tief, ein alter, von Tieren gezogener Pflug muß sie gegraben haben. Wir spüren, daß wir in eine archaische Landschaft eindringen.
Dann wandern wir lange durch den Eichenwald von El Ganso, bis ein kleines Tal die Straße schneidet. Da halten wir Rast und packen unseren Regenschutz ein, denn es ist wieder heller geworden. Während wir auf einem Stapel gefällter Baumstämme unsere Brote verzehren, tauchen zwei Radfahrer auf, ein junges Paar. Sie scheinen sich wie wir zu freuen, zwei menschliche Seelen anzutreffen. Wir fragen nach dem Woher und Wohin. Es sind Engländer, absolvieren die Reise nach Santiago per Fahrrad.
Aber da halten auch noch zwei Autos an. Es sind etwa fünf Männer, sie interessieren sich nicht für uns, ziehen vielmehr Pläne aus Aktenmappen und betrachten die Straße. Es soll hier wohl gebaut werden. Dann kommt ein dritter Wagen von der Seitenstrasse. Sein Insasse scheint den anderen fernerzustehen, nicht so richtig dazuzugehören. Ich benütze die Gelegenheit, ihn nach der römischen Goldmine zu fragen, die hier in der Nähe sein soll. Er antwortet lebhaft, sie sei ganz nahe, nur einige hundert Meter von hier, unmittelbar neben der Seitenstraße.
Wir verstecken unsere Rucksäcke und machen uns auf die Suche. Wie wir einige Meter gegangen sind, kommt unser Gewährsmann und lädt uns zum Mitfahren ein, er werde uns die Mine zeigen.
Viel zu sehen gibt es nicht. Es ist ein riesiges, von Bäumen und Buschwerk teilweise überwachsenes Loch, ähnlich einer aufgegebenen Kiesgrube. Die Römer haben das Gold hier im Tagbau gewonnen. Drei künstliche Weiher
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