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Santiago, Santiago

Santiago, Santiago

Titel: Santiago, Santiago Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Aebli
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suchen sie auch darum, weil nur sie der Idee der Gerechtigkeit ihren Inhalt gibt und sie über die bloße, vom Feind abhängige Protestidee hinaushebt, und wir suchen sie schließlich, weil sie uns im persönlichen Leben von den Widersprüchen und Verstrickungen bewahrt, die unser Handeln schwächen und unsere Kräfte zerstören.
Aber wir müssen weiter, hinunter nach Galizien. Vorerst geht es allerdings geradeaus. Dann zeigt das gelbe Wegzeichen auf einen Fußweg, der von der Straße abzweigt. Er scheint breit genug, so daß wir nicht fürchten müssen, das nasse Farnkraut und den Ginster ständig zu streifen und uns zu durchnässen. Wir wagen den Versuch. Aber der Ertrag ist gering: wir sehen im Nebel weiterhin nur wenige Meter vom Abhang, dem wir folgen, und das bedeutet mehr Ginsterbüsche, Brombeerenhecken und Farnkraut. Auch die Kommunikation ist schlecht: wenn ich vorne gehe, verstehe ich die anderen unter meiner Kapuze kaum. So marschieren Peter, Verena und ich ein gutes Stück schweigend durch den Nebel.
Dann ein scharfer Anstieg, und wir sind wieder auf der Straße, bei einer kleinen Häusergruppe. Über einer Haustür hängt eine Tafel mit der Anschrift »Bar«, und davor stehen die Fahrräder von Madlon und Zimi. Was den Radfahrerinnen recht ist, das ist den Marschierern billig. Es ist ein Lebensmittelladen, der sich in eine kleine Wirtsstube mit wenigen einfachen Tischen und Stühlen fortsetzt. Aber in der Ecke brennt ein offenes Feuer, und Herbert, Zimi und Madlon strecken ihre Füße in seine Nähe. Der Wirt ist ein freundlicher älterer Mann. Wir wärmen uns mit den Freunden zusammen an seinem heißen Tee und dem Feuer.
Wie wir herauskommen, hat der Regen ausgesetzt, es ist heller geworden, und wir spüren, daß die Sonne durchbrechen will. Der Weg führt nun lange parallel zur Straße einem Südhang entlang. Es sind immer die gleichen, von Büschen überwucherten Weiden. Zum Teil werden sie aufgeforstet, so wie wir es bei Manjarín gesehen haben. Wir kommen durch Dörfer aus alten grauen Häusern, kunstvoll aus einem schiefrigen Stein gebaut, ein- oder anderthalbstöckig. Die Kirchen gleichen der Kirche von Cebreiro, sie müssen sehr alt sein. Die Menschen machen kein Aufhebens um die Pilger, sie sind an ihr Vorbeiziehen gewöhnt.
Zu unserer Linken blicken wir in ein einsames Tal mit Weiden und Wäldern hinunter. Wir folgen seinem oberen Rande über einige Kilometer, bis es nach links abbiegt. Unser Weg führt über einen kleinen Paßübergang in ein neues Tal. Dieser heißt »El Furco«, das verstehen wir gut. An seinem linken Abhang geht es nun allmählich abwärts.
Bevor der Abstieg steiler wird, suchen wir uns etwas abseits vom Weg im Niederwald einen Rastplatz. Wir finden ihn auf einer glatten, leicht geneigten Felsplatte. Tief unter uns erkennen wir ein Bergwerk. Wir haben von ihm gelesen: in seiner offenen Grube wird Zink- und Bleierz gegraben. Im Nachhinein verstehen wir, daß wir auch vor den Häusern des armen Cebreiro einige moderne Autos gesehen haben: die Männer sind hier nicht nur Hirten, sie arbeiten auch in den Bergwerken der Region. Von Zeit zu Zeit dringt das Geräusch der Bagger schwach zu uns herauf, dann umgibt uns wieder die Stille der Berge. Unter uns beobachten wir eine Kuhherde mit einem Hirtenbuben. Er treibt die Tiere zusammen und führt sie über einen steinigen Weg auf eine neue Weide, eine Szene, wie sie sich auch in der Schweiz, in Bayern oder in Österreich abspielen könnte.
Wir steigen zu diesen Weiden ab. Es ist nun wärmer geworden, die Luft ist vom Morgenregen noch feucht, und das Grün des Waldes, in den wir unterhalb der Weiden eintreten, leuchtet intensiv. Kastanien und Eichen wölben sich über dem Weg.
Oberhalb eines Dorfes treffen wir auf einen Bauern, der einige schwarz-weiß gefleckte Kühe vor sich her treibt. Ich merke, daß er sich fragt, ob wir im engen Weg Angst vor den Tieren haben, und signalisiere ihm und den Tieren, daß dem nicht so ist. Ich habe schließlich im zweiten Weltkrieg als junger Mann noch gelernt, mit Kühen umzugehen.
Wie wir bei dem Bauern sind und ihn gegrüßt haben, lobe ich seine Tiere. Das freut ihn, und der Kontakt ist hergestellt. Ich frage ihn, was die Bauern hier treiben. Mit Ackerbau sei es nicht weit her. In diesen Tälern werde Viehzucht und Milchwirtschaft getrieben. Anders als bei uns wird aber die Milch weiträumig eingesammelt und zentral verarbeitet. Nach dem mißlungenen Kontakt in Pradela freut mich dieses

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