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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Wand und ich trat unwillkürlich einen Schritt näher an Gideon heran. »Wie war noch mal diese verdammte Parole? Nur für den Fall, dass dir jemand was vor den Kopf haut. . .«
    »Qui nescit dissimulare nescit regnare.«
    »Nach dem Essen sollst du ruhn oder tausend Schritte tun?«
    Er lachte und steckte die Fackel zurück in ihre Halterung. »Was machst du da?«
    »Ich wollte nur schnell... Also wegen vorhin - Mr George hat uns unterbrochen, als ich dir etwas sehr Wichtiges sagen wollte.«
    »Ist es wegen dem, was ich dir gestern in der Kirche erzählt habe? Also, ich kann verstehen, dass du mich deswegen für verrückt hältst, aber ein Psychiater kann da auch nicht helfen.«
    Gideon runzelte die Stirn. »Halt doch bitte mal für eine Minute den Mund, ja? Ich muss hier gerade meinen ganzen Mut zusammennehmen, um dir eine Liebeserklärung zu machen. In so was habe ich absolut keine Übung.«
    »Wie bitte?«
    »Ich hab mich in dich verliebt«, sagte er ernst. »Gwendolyn.«
    Unwillkürlich zog sich mein Magen zusammen, wie vor Schreck. Aber in Wahrheit war es Freude.
»Wirklich?«
    »Ja,
wirklich!«
Im Fackellicht sah ich Gideon lächeln. »Ich weiß, wir kennen uns nicht mal eine Woche und am Anfang fand ich dich auch reichlich ... kindisch und wahrscheinlich habe ich mich dir gegenüber auch wie ein Ekel verhalten. Aber du bist furchtbar kompliziert, man weiß nie, was du als Nächstes tun wirst, und in manchen Dingen bist du geradezu erschreckend ... äh ... unbedarft. Manchmal würde ich dich einfach nur gerne schütteln.«
    »Okay, man merkt tatsächlich, dass du keine Übung in Sachen Liebeserklärung hast«, sagte ich.
    »Aber dann bist du wieder so witzig und klug und unbeschreiblich süß«, fuhr Gideon fort, als hätte er mir gar nicht zugehört. »Und das Schlimmste ist: Du musst nur im gleichen Raum sein und schon habe ich das Bedürfnis, dich zu berühren und zu küssen . . .«
    »Ja, das ist wirklich schlimm«, flüsterte ich und mein Herz machte einen Satz, als Gideon meine Hutnadel aus meinen Haaren zog, das gefiederte Ungetüm in großem Bogen von sich schleuderte, mich zu sich heranzog und küsste. Schätzungsweise drei Minuten später lehnte ich vollkommen atemlos mit dem Rücken an der Mauer und bemühte mich, aufrecht stehen zu bleiben.
    »Gwendolyn, hey, atme einfach ganz normal ein und aus«, sagte Gideon amüsiert.
    Ich gab ihm einen Schubs vor die Brust. »Hör auf damit! Das ist ja unerträglich, wie eingebildet zu bist.«
    »Tut mir leid. Es ist nur so ein ... berauschendes Gefühl zu wissen, dass du meinetwegen vergisst zu atmen.« Er nahm die Fackel wieder aus dem Halter. »Komm jetzt. Der Graf wartet sicher schon.«
    Erst als wir in den nächsten Gang einbogen, fiel mir der Hut ein, aber ich hatte keine Lust zurückzugehen, um ihn zu holen.
    »Schon komisch, aber gerade denke ich, dass ich mich auf diese langweiligen Elapsierabende im Jahr 1953 wieder richtig freuen werde«, sagte Gideon. »Nur du und ich und Cousine Sofa . . .«
    Unsere Schritte hallten in den langen Gängen wider und ich tauchte allmählich aus meinem rosaroten Wattegefühl auf, um mich zu erinnern, wo wir waren. Beziehungsweise, in welcher Zeit wir uns befanden. »Wenn ich die Fackel nehmen würde, könntest du vorsorglich schon mal den Degen ziehen«, schlug ich vor. »Man weiß ja nie. In welchem Jahr hast du eigentlich den Schlag vor den Kopf bekommen?« (Das war eine der vielen Fragen, die Leslie mir auf einen Zettel geschrieben hatte und die ich stellen sollte, wann immer meine Hormonlage es erlaubte.)
    »Mir fällt gerade auf, dass ich dir zwar eine Liebeserklärung gemacht habe, aber du mir nicht«, sagte Gideon.
    »Habe ich nicht?«
    »Jedenfalls nicht mit Worten. Und ich bin mir nicht sicher, ob das zählt. Schschscht!«
    Ich hatte aufgequiekt, denn direkt vor uns kreuzte eine fette dunkelbraune Ratte den Weg, ganz gemächlich, als hätte sie nicht die geringste Angst vor uns. Im Fackellicht schimmerten ihre Augen rötlich. »Sind wir eigentlich gegen Pest geimpft?«, fragte ich und klammerte mich im Weitergehen fester an Gideons Hand.
     
    Der Raum im ersten Stock, den der Graf von Saint Germain sich als sein Büro in Temple ausgesucht hatte, war klein und wirkte - für den Großmeister der Loge der Wächter, auch wenn er nur selten in London sein mochte - ausgesprochen bescheiden. Eine Wand war vollkommen mit einem deckenhohen Regal voller ledergebundener Bücher bedeckt, davor stand ein Schreibtisch mit

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