Saphirblau
Dämon der Lügen, Großherzog der Hölle!«, stellte sich Berith mit viel Hall in der Stimme vor. »Auch Bolfri genannt.«
»Ja, das steht hier«, sagte ich und blickte ins Buch zurück. »Außerdem verbesserst du die Stimmen von Sängern.« Eine reizvolle Gabe. Allerdings musste man ihm dazu nach der Anrufung (die schon äußerst kompliziert wirkte, da offensichtlich in babylonischer Sprache abgefasst) diverse Opfer bringen - gerne Missgeburten, noch lebend. Das war allerdings noch nichts gegen das, was man tun musste, damit er Metalle in Gold verwandelte. Das konnte er nämlich auch. Die Sichemiten - wer immer die auch gewesen sein mochten - hatten Berith daher angebetet. Bis Jakob und seine Söhne kamen und alle Männer in Sichern »unther grausamesten Qualen mit ihren Schwertern töteten«. So weit, so gut.
»Berith befehligt sechsundzwanzig Legionen«, hallte Berith.
Da er mir bis jetzt noch nichts getan hatte, wurde ich noch mutiger. »Ich finde Leute seltsam, die in der dritten Person von sich selber sprechen«, sagte ich und schlug die Seite um. Wie ich gehofft hatte, verschwand Berith wieder in dem Buch, wie Rauch, der verweht wird. Ich atmete erleichtert auf.
»Interessante Lektüre«, sagte eine leise Stimme hinter mir. Ich wirbelte herum. Unbemerkt hatte sich der Graf von Saint Germain in den Raum geschlichen. Er stützte sich auf einen Stock mit kunstvoll geschnitztem Knauf, seine hochgewachsene, schlanke Gestalt war eindrucksvoll wie immer und seine dunklen Augen hellwach.
»Ja, sehr interessant«, murmelte ich etwas unschlüssig. Aber dann besann ich mich, klappte das Buch zu und versank in einer tiefen Reverenz. Als ich wieder aus meinen Röcken emportauchte, lächelte der Graf.
»Es freut mich, dass du gekommen bist«, sagte er, griff nach meiner Hand und zog sie an seine Lippen. Die Berührung war kaum zu spüren. »Es erscheint mir notwendig, dass wir unsere Bekanntschaft vertiefen, denn unsere erste Begegnung verlief doch ein wenig . . . unglücklich, nicht wahr?«
Ich sagte nichts. Bei unserer ersten Begegnung hatte ich mich überwiegend damit beschäftigt, in Gedanken die Nationalhymne zu singen, der Graf hatte ein paar beleidigende Bemerkungen zur mangelnden Intelligenz bei Frauen im Allgemeinen und bei mir im Besonderen gemacht, und am Ende hatte er mich auf recht unkonventionelle Art und Weise gewürgt und bedroht. Er hatte recht: Das Treffen war ein wenig unglücklich verlaufen.
»Wie kalt deine Hand ist«, sagte er. »Komm, setz dich. Ich bin ein alter Mann und kann nicht so lange stehen.« Er lachte, ließ meine Hand los und setzte sich auf den Sessel hinter dem Schreibtisch. Vor dem Hintergrund mit all den Büchern sah er einmal mehr aus wie sein eigenes Porträt, ein altersloser Mann mit edlen Gesichtszügen, lebendigen Augen und einer weißen Perücke, umstrahlt von einer Aura des Geheimnisvollen und Gefährlichen, der man sich nicht entziehen konnte. Ich nahm wohl oder übel auf dem anderen Sessel Platz.
»Interessierst du dich für Magie?«, fragte er und zeigte mit der Hand auf den Bücherstapel.
Ich schüttelte den Kopf. »Bis letzten Montag nicht, um ehrlich zu sein.«
»Es ist ein wenig verrückt, nicht wahr? Da hat deine Mutter dich all diese Jahre in dem Glauben gelassen, du wärst ein ganz normales Mädchen. Und von jetzt auf gleich musst du feststellen, dass du ein wichtiger Bestandteil eines der größten Geheimnisse der Menschheit darstellst. Kannst du dir vorstellen, warum sie das getan hat?«
»Weil sie mich liebt.« Ich wollte es wie eine Frage sagen, aber es klang sehr bestimmt.
Der Graf lachte. »Ja, so denken Frauen!
Liebe!
Das Wort wird von eurem Geschlecht wirklich überstrapaziert. Liebe ist die Antwort - es rührt mich immer, wenn ich das höre. Oder es amüsiert mich, je nachdem. Was Frauen wohl nie verstehen werden, ist, dass Männer eine vollkommen andere Vorstellung von Liebe haben als sie.«
Ich schwieg.
Der Graf legte seinen Kopf ein wenig schief. »Ohne ihre hingebungsvolle Auffassung von der Liebe würde es der Frau viel schwerer fallen, sich dem Mann in jeder Beziehung unterzuordnen.«
Ich bemühte mich um einen neutralen Gesichtsausdruck. »In unserer Zeit hat sich das ...« - Gott sei Dank! - »... geändert. Bei uns sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Niemand muss sich dem anderen unterordnen.«
Wieder lachte der Graf, diesmal etwas länger, als hätte ich einen wirklich guten Witz gemacht. »Ja«, sagte er schließlich. »Davon
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