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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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zwei Sesseln, die mit demselben Stoff bezogen waren, aus dem auch die Vorhänge waren. Ansonsten gab es keine Möbel. Draußen schien die Septembersonne und im Kamin brannte kein Feuer, es war auch so warm genug. Das Fenster zeigte hinaus in den kleinen Innenhof mit Springbrunnen, den es auch in unserer Zeit gab. Sowohl der Sims vor dem Fenster als auch der Schreibtisch waren mit Papieren, Schreibfedern, Siegelkerzen und Büchern bedeckt, die sich zum Teil auf abenteuerliche Weise stapelten und bei Verrutschen die Tintenfasser umwerfen würden, die vertrauensvoll zwischen all dem Durcheinander herumstanden. Es war ein gemütlicher kleiner Raum, außerdem menschenleer, und trotzdem stellten sich mir beim Betreten die feinen Härchen im Nacken auf.
    Ein mürrischer Sekretär mit weißer Mozartperücke hatte mich hierhergeleitet und mit den Worten »Der Graf wird Euch sicher nicht lange warten lassen« die Tür hinter mir geschlossen. Ich hatte mich nur ungern von Gideon getrennt, aber er war, nachdem er mich dem mürrischen Wächter übergeben hatte, gut gelaunt und wie jemand, der sich hier bestens auskannte, durch die nächste Tür verschwunden.
    Ich trat ans Fenster und schaute hinaus in den stillen Innenhof. Alles sah sehr friedlich aus, aber das unangenehme Gefühl, nicht allein zu sein, hielt an. Vielleicht, dachte ich, beobachtete mich jemand durch die Wand hinter den Büchern. Oder der Spiegel, der über dem Kaminsims hing, war von der anderen Seite ein Fenster, so wie in Verhörräumen bei der Kriminalpolizei.
    Eine Weile stand ich einfach nur da und fühlte mich unbehaglich, aber dann dachte ich, der heimliche Beobachter würde merken, dass ich mich beobachtet fühlte, wenn ich einfach nur so unnatürlich steif herumstünde. Also nahm ich das oberste Buch von einem der Stapel auf der Fensterbank und schlug es auf.
Marcellus, De medicatnentis.
Aha. Marcellus - wer immer er gewesen sein mochte - hatte offensichtlich einige ungewöhnliche medizinische Methoden entdeckt, die in diesem Büchlein hier zusammengefasst worden waren. Ich fand eine hübsche Stelle, die sich mit der Heilung von Leberkrankheiten beschäftigte. Man musste nur eine grüne Eidechse fangen, ihr die Leber entfernen, diese an ein rotes Tuch binden oder an einen von Natur schwarzen Lappen (von Natur schwarz? Hm?) und Lappen oder Tuch dem Leberkranken rechts an die Seite hängen. Wenn man dann noch die Eidechse freiließ und zu ihr sagte: »Ecce dimitto te vi-vam...«, und noch einiges mehr, das genauso lateinisch war, dann war das Leberproblem behoben. Fragte sich nur, ob die Eidechse noch weglaufen konnte, nachdem man ihr die Leber entfernt hatte. Ich klappte das Buch wieder zu. Dieser Marcellus hatte ganz klar einen an der Waffel. Das Buch, das zuoberst auf dem Stapel danebenlag, war mit dunkelbraunem Leder eingebunden und sehr dick und schwer, daher ließ ich es beim Blättern auf dem Stapel liegen. »Von allerley Daemonen und wie sie dem Magier und dem gemeynen Manne behylflich seien können« stand mit goldgeprägten Buchstaben darauf, und obwohl ich weder ein Magier noch ein »gemeyner Manne« war schlug ich es neugierig irgendwo in der Mitte auf. Das Bild eines hässlichen Hundes schaute mich an und darunter stand, dass dies Jestan sei, ein Dämon vom Hindukusch, der Krankheiten, Tod und Krieg brachte. Ich fand Jestan auf Anhieb unsympathisch und blätterte weiter. Eine seltsame Fratze mit hornartigen Auswüchsen auf dem Schädel (ähnlich wie bei den Klingonen aus den Start-Trek-Filmen) starrte mich von der nächsten Seite aus an, und während ich noch angewidert zurückstarrte, schlug der Klingone seine Augenlider nieder und erhob sich aus dem Papier wie Rauch aus einem Schornstein, verdichtete sich schnell zu einer vollständigen, ganz in Rot gekleideten Gestalt, die sich neben mir aufbaute und aus glühenden Augen auf mich herunterschaute. »Wer wagt es, den großen und mächtigen Berith anzurufen?«, rief er.
    Natürlich war mir etwas mulmig zumute, aber die Erfahrung hatte mich gelehrt, dass Geister zwar gefährlich aussehen und bösartige Drohungen von sich geben konnten, aber in der Regel nicht einmal einen Lufthauch bewegen konnten. Und ich hoffte doch sehr, dass dieser Berith nichts weiter als ein Geist war, ein zwischen die Seiten dieses Buches gebanntes Abbild des echten Dämons, der hoffentlich längst das Zeitliche gesegnet hatte.
    »Niemand hat dich angerufen«, sagte ich deshalb höflich, aber recht lässig.
    »Berith,

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