Saphirtraenen (Gesamtausgabe)
Waldes fühlte ich mich in den letzten Tagen sehr unwohl und ich frage mich, wie schlecht es Edan ergangen sein muss.
„Liegt in diesen Bergen auch dein Heimatdorf?“, platzt es aus mir heraus.
Er legt seine schöne Stirn in Falten und sieht mich prüfend an.
„Ja, warum?“
Ich blinzle, denn auf seine Frage weiß ich keine Antwort. Warum interessiere ich mich plötzlich für seine Vergangenheit?
„Nur so“, weiche ich aus und betrachte wieder träumerisch die Umrisse der Berge.
„Es muss schön sein, dort oben zu wohnen.“
Verstohlen beobachte ich seine Reaktion, die erstaunlich nüchtern ausfällt. Er zuckt lediglich mit den Schultern.
„Ich erinnere mich kaum.“
Eine Lüge. Ich sehe es an dem bemüht ausdruckslosen Gesicht und dem starren Blick.
„Warum lügst du mich an?“
Anstatt zu antworten dreht er den Kopf weg.
„Verzeih“, nuschele ich und wende mich ebenfalls ab.
„Die Vergangenheit kann grausam sein. Ich habe Angst, dass du mich wegen ihr verurteilst.“
Ich begegne seinem ehrlichen Blick. Die bernsteinfarbenen Augen schimmern voller Tränen. Wie von selbst heben sich meine Arme und schließen sich um ihn. Meine Hand findet den Weg in sein weiches Haar und streichelt über seinen Kopf.
„Wie könnte ich dich wegen etwas beurteilen, was längst geschehen ist?“
Er schiebt mich von sich, nimmt mein Kinn in die Hand und sieht mir ernst in die Augen.
„Weil wir das sind, was die Vergangenheit aus uns gemacht hat. Das und nicht mehr oder weniger.“
Seine Worte versetzen meinem Herz einen harten Stich, denn er gibt mir damit klar zu verstehen, dass die Sache im Wald auch für ihn ein Ausrutscher war. Dass er trotz allem ein Dämon ist und immer bleiben wird.
Ich spüre einen festen Kloß in meinem Hals und schlucke. Dann fasse ich sein Handgelenk und nehme seine Hand von meinem Gesicht.
Mit einem leisen Seufzer zeige ich ihm, dass ich verstanden habe. Wir können nicht zusammen sein. Und eigentlich wollen wir beide das auch nicht. Nur die Elemente in uns verzehren sich nach dem anderen, als würden sie ohne ihn sterben müssen.
Der Schmerz in meinem Brustkorb lässt mich glauben, dass genau das auf mich wartet, sobald wir uns endgültig voneinander trennen müssen. Der Tod.
Das Land ist unfruchtbar und verlassen. Das einzige Lebewesen dem wir begegnen, ist ein kleiner Fuchs, dessen rötliches Fell die Sonnenstrahlen einfängt. Auf der Suche nach Beute umschleicht er die vertrockneten Büsche und verschwindet im Unterholz als das Lith zu nah an ihn herankommt.
„Schau dort vorne.“
Am Horizont zeichnet sich in der flimmernden Hitze ein undeutlicher Umriss ab. Je näher wir kommen, desto mehr Details erkenne ich.
Zerfallene Stadtmauern, eingebrochene Dächer.
„Müssen wir dort wirklich Halt machen?“
Mir ist der Gedanke, diese Geisterstadt zu betreten, nicht geheuer.
„Unsere Vorräte sind fast leer. Dort ist die letzte Möglichkeit, uns Nahrung zu besorgen.“
Als müsste er mir den Wahrheitsgehalt seiner Worte beweisen, zeigt er mir unsere leeren Beutel. Mein knurrender Magen wäre Beweis genug gewesen.
„Oder wir verlassen uns auf die blühende Natur“, fügt er spöttisch hinzu und breitet die Arme aus.
Ich brumme unzufrieden.
„Lass uns den Rest wenigstens zu Fuß gehen. Ich denke, dass dein kleines Haustier die Bewohner nicht gerade freundlich stimmen wird.“
„Daran habe ich schon gedacht, Prinzessin, keine Sorge.“
Die alte Ironie ist zurückgekehrt und versetzt mir einen kräftigen Schlag in die Magengegend. Ich blinzle die Tränen weg, ziehe mir die Kapuze auf den Kopf und schweige.
Kurz bevor wir Arg’e erreichen, befiehlt er dem Lith, anzuhalten.
„Ab hier gehen wir zu Fuß weiter. Er wird sich am Bergpass verstecken und auf uns warten.“
Er gibt dem Tier einen Klaps und es verschwindet in Richtung der Berge. Ich komme nicht umhin, die Geschicklichkeit seiner vielen Beine zu bewundern. Schon bald ist es nur noch ein kleiner schwarzer Punkt in der Ferne.
Während Cedric sein Mittagessen zu sich nimmt, hört er plötzlich aufgeregte Stimmen vor dem Wirtshaus. Sofort steht er auf und geht nach draußen.
Mehrere Menschen haben sich um eine alte Frau gescharrt, die wild gestikulierend etwas von einem großen schwarzen Ungeheuer mit tausenden Beinen erzählt, dass auf die Stadt zukommt.
Einige der Zuhörer lachen und gehen direkt weiter. Viel zu viele nehmen das Gewäsch der Frau jedoch ernst und lauschen aufmerksam ihren
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