Saphirtraenen (Gesamtausgabe)
ich, „nun denn. Was verschafft uns die Ehre?“
„Ich...Ich...“
Seine Zunge schnellt hervor und leckt über die spröden Lippen. Ein Speichelfaden bleibt im Mundwinkel hängen.
„Der Meister hat sein Schloss verlassen. Er möchte euch alle in den Bergen treffen.“
Hilfesuchend blickt er zu Edan und die beiden tauschen einen verräterisch langen Blick aus. Kann es sein, dass... Ich verwerfe den Gedanken schnell wieder.
„Woher wusstest du, wo wir uns befinden?“
Ich fuchtle mit dem Dolch vor seinem Gesicht herum, um ihm ein wenig Angst zu machen, obwohl ich mit dem Metallstück nicht umgehen kann. Er bemerkt dies nicht, sondern weicht angstvoll einen Schritt zurück.
„Der Meister weiß alles. Seine Augen sind überall.“
Diese Vorstellung bringt mein Herz zum Stocken und schnürt mir den Brustkorb zu. Dennoch bleibe ich aufrecht stehen und bemühe mich, meiner Stimme einen festen Klang zu geben.
Ich lege meinen Kopf in den Nacken und schreie in den Himmel hinauf:
„Wir werden kommen. Und wir werden gewinnen.“
Zum Abschluss spucke ich dem verdutzten Diener vor die Füße, drehe mich um und stapfte zum See. Die anderen werden mit dem unfähigen Dämon schon fertig werden.
Ich bücke mich, hebe einen flachen Kiesel auf und werfe ihn in das nebelverhangene Gewässer.
Er bringt die Oberfläche zum Schwingen und kleine Wellen breiten sich bis zum Ufer aus, schwappen direkt vor meine Füße. Hinter mir höre ich Edan laut schreien, aber ich sehe nicht zurück.
Ich beobachte die Berge und erinnere mich an die Zeit in Cad’e, meinem Dorf, zurück. Damals hatte ich mir nichts Sehnlicheres gewünscht, als einmal den Wald zu verlassen und Firyon zu entdecken. Jetzt stehe ich hier, betrachte eine Szenerie, die noch nie jemand aus meinem Dorf gesehen hat und auch nie erblicken wird. Die scharfen Kanten des Gebirges, die bewachsenen Hänge. Bunte Blumen, deren kelchförmige Blütenblätter so völlig anders sind als jene meiner Kindheit.
Ich gehe ein Stück am Seeufer entlang bis ich meine Schritte schließlich nach rechts lenke und mich auf einer Wiese niederlasse. Zarter Klee wird unter meinen wütenden Händen zerdrückt und der Geruch von frischem Gras steigt mir in die Nase. Ich pflücke eine der kelchförmigen Blüten. Der zarte Stängel gibt sofort nach und ich halte die Pflanze in meinen Händen. Ihre gelben Blätter recken sich der Sonne entgegen.
Ein einzelner Wassertropfen landet auf den zarten Blüten. Eine Träne.
Ich gestehe es mir nicht gerne ein, aber ich vermisse mein Dorf noch immer. Auch wenn meine Vergangenheit mir damals wie ein unglückliches Leben erschien, so möchte ich es nun wieder haben. Ich möchte wieder in meinem Haus auf dem Baum stehen, hinab auf den Dorfplatz blicken und mich fehl am Platz fühlen. Alles ist besser als diese unglückselige Schwangerschaft und der Kampf, der mir bevorsteht. Selbst die abwertenden Blicke wären mir lieber als die Angst, ständig von einem Dämonenfürst beobachtet zu werden.
Wütend reiße ich der Blume eine Blüte ab. Eine Blüte für jeden, den ich verloren habe. Alriel. Meine Eltern. Alle Bewohner meines Dorfes. Ich breche Blumen und zerrupfe sie, bis ich in über und über mit Pflanzensaft beschmiert und von bunten Blütenblättern bedeckt bin. Tränen rinnen unaufhaltsam über mein Gesicht und in meiner Brust breitet sich ein Schmerz aus, wie ich ihn noch nie gespürt habe. So lange habe ich mich zurückgehalten, meine Gefühle unterdrückt. Jetzt bricht alles aus mir heraus, etwas in mir ist zerrissen und die Emotionen stürmen auf mich ein. Meine Schutzmauer wird von ihnen niedergetrampelt, wie der Klee unter meinen Füßen.
Erst als ich Kies knirschen höre versuche ich, den Tränenfluss zu stoppen.
„Niamh?“
Cedric. Er steht hinter mir und ist taktvoll genug, mir nicht direkt ins Gesicht zu sehen. Der Blumenfriedhof und meine zuckenden Schultern reichen ihm, um meine momentane Situation zu erfassen.
„Darf ich?“
Als ich nicke legt er mir liebevoll eine Hand auf meine Schulter. Ich umfasse sie mit meinen Fingern und drücke so fest zu, bis mich meine Kräfte verlassen. Cedric gibt keinen Ton von sich, bis ich mich zu ihm umdrehe und mein Gesicht an seiner Brust verberge.
Es bricht aus mir heraus. Alles. Mein früheres Leben, meine Verzweiflung, meine Einsamkeit, meine Angst. Während ich die Sätze nur halb herausbringe und von Schluchzern geschüttelt werde, hält Cedric mich fest im Arm und sagt kein Wort. Auch
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