Saphirtraenen (Gesamtausgabe)
als ich ihn frage, was ich jetzt tun soll, bleiben seine Lippen versiegelt.
Lediglich seine goldenen Augen sehen mich mit einer Intensität an, als wollten sie mir sagen, dass ich die Antwort schon kenne.
Ich lehne mich erneut an ihn, lausche dem Schlag seines Herzens und meinen unregelmäßigen Atemzügen. Der Tag nähert sich dem Ende, die Nacht spannt ihr Zelt langsam über uns. Ich sehe die Dunkelheit am Horizont heraufkriechen wie ein Gewitter. Aber wir bewegen uns nicht, denn nun, da Deargh sich auf den Weg zu uns gemacht hat, haben wir keine Eile mehr.
Ganz still liege ich da, lausche dem Surren der Libellenflügel und dem Rauschen des Sees, bis ich einschlafe und in einer Traumwelt versinke.
Schatten. Sie jagen mich durch den toten Wald, lassen mich über umgestürzte Bäume springen, deren Wurzeln wie mahnende Finger in die Luft ragen, und greifen mit ihren langen Fingern nach mir.
Ich renne so schnell, dass meine Umgebung verschwimmt, meine Lungen brennen und ich spüre, wie mich meine Kräfte verlassen. Aber ich laufe weiter. Über mir höre ich eine Krähe einen schaurigen Laut ausstoßen. Immer weiter.
Die Wolken verdunkeln sich, pechfarbener Regen fällt und malt die Welt schwarz. Wie Tinte benetzt das Wasser alles, was es berührt und taucht es in Finsternis. Schneller.
Ich weiche den schwarzen Tropfen aus, denn ich weiß, dass eine Berührung mein Ende bedeuten würde. Gleich.
Die gewaltigen feuerspuckenden Berge tauchen vor mir auf. Verhüllte Gestalten tanzen einen unheimlichen Tanz. Eine junge Frau ist auf einem Altar gefesselt. Sie trägt nichts außer einer goldenen Kette, in deren Mitte ein Rubin eingefasst ist. Die Gestalten um sie herum werden größer. Der Bauch des Mädchens ist stark nach außen gewölbt, ihre moosgrünen Haare hängen schlaf herab.
Atemlos halte ich an und ringe nach Luft. Die Bäume beugen sich zu mir herab, ihre Äste bilden Gitterstäbe, die mich zurückhalten. Ein Schrei ertönt.
Entsetzt blicke ich zu dem gruseligen Reigen. Einer der Dämonen hat ein kunstvoll verziertes Messer gezogen und schneidet der wehrlosen Frau den Bauch auf. Das Fleisch zieht sich zurück und gibt den Blick auf etwas Kleines frei. Es strampelt, zappelt und schreit. Der Kopf der Frau kippt zur Seite und sieht mich an. Ich sehe mir selbst in die leblosen Augen.
Ein weiterer Schrei ertönt, dieses Mal mein eigener.
Ein schwarzweißes Wesen löst sich aus dem Kreis der tanzenden Figuren und nähert sich mir. Krallenbewährte Tatzen, ein blutverschmiertes Maul. Goldene Augen funkeln mich an. Edans Augen.
Mit klopfendem Herzen erwache ich in Cedrics Armen. Es ist mitten in der Nacht, dennoch ist er wach.
„Du hast im Schlaf geschrien“, informiert er mich und klingt dabei aufrichtig besorgt. Meine Traumbilder kommen mir wieder in den Sinn und ich zittere.
Tröstend drückt er mich enger an sich.
„Ich habe versucht, dich zu wecken, aber es ging nicht. Du hast um dich geschlagen und geweint.“
Im Schein des Feuers, das er entzündet haben muss während ich geschlafen habe, sehe ich eine lange rote Spur, die sich über sein Gesicht zieht. Als er meinen Blick bemerkt, hebt er die Hand an die Wange und winkt ab.
„Das... ist halb so schlimm. Ich hätte mich eben nicht in deine Nähe begeben dürfen.“
„Das war ich?“
Entsetzt schlage ich mir beide Hände vor den Mund und betrachte den Kratzer genauer, der von seinem Kinn bis hin zu seinem linken Ohr verläuft. Vereinzelt perlen kleine Bluttropfen aus seiner makellosen Haut hervor.
„Bitte verzeih mir.“
Ich krame in meinem Beutel, den mir die Heilerin gegeben hat, nach säubernden Kräutern, aber er schüttelt den Kopf und nimmt die duftenden Blätter, die ich ihm hinhalte, nicht an.
„Wir brauchen sie gewiss noch irgendwann dringender als jetzt.“
Vermutlich hat er damit Recht, aber ich fühle mich so elend, dass ich irgendetwas unternehmen muss. Also laufe ich mit zittrigen Knien zum See und tauche meinen Hemdärmel in das kalte Wasser. Dann kehre ich zurück und tupfe vorsichtig sein Gesicht ab.
Cedrics bernsteinfarbene Augen erinnern mich an meinen Traum. Daran, dass der Panda Edans Augen hatte und an die Geschichte mit dem fleischfressenden Bären, welche ich erst vor wenigen Tagen gehört hatte. Ein Panda, der nichts dafür kann, dass er so ist, wie er ist. Ein Tier, das lediglich zu dem wurde, was andere aus ihm gemacht haben.
Ein Schauer kriecht über meinen Rücken und ich schicke mich an, weiter
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