Sara Linton 01 - Tote Augen
Gegenfahrbahn und fuhr schließlich sogar auf das schmale Bankett, um einem entgegenkommenden Mülllaster auszuweichen. Faith rammte die Hände gegen das Armaturenbrett, als er sich in eine Kurve legte und vor den Beeston-Place-Apartments schlitternd zum Stehen kam.
Das Auto schwankte, als Will ausstieg. Er lief zum Eingang. In der Entfernung konnte er die Sirenen von Streifenwagen und einem Krankenwagen hören. Der Portier saß hinter einem hohen Tresen und las eine Zeitung. Er war dick, die Uniform für seinen drallen Bauch zu eng.
Will zog seine Marke heraus und hielt sie dem Mann vors Gesicht. » Ich muss ins Penthouse.«
Der Portier zeigte ihm das mürrischste Grinsen, das Will in letzter Zeit gesehen hatte. » Müssen, mh?« Er sprach mit Akzent, Russisch oder Ukrainisch.
Faith kam atemlos zu ihnen. Sie schaute auf sein Namensschild. » Mr Simkov, das ist wichtig. Wir glauben, dass ein Kind in Gefahr sein könnte.«
Er zuckte hilflos die Achseln. » Keiner kommt rein, der nicht auf der Liste steht, und da Sie nicht …«
Will spürte etwas in sich reißen. Bevor er wusste, was passierte, schnellte seine Hand vor, packte Simkov am Nacken und knallte seinen Kopf auf die Marmorfläche des Tresens.
» Will!«, schrie Faith, ihre Stimme klang schrill vor Überraschung.
» Geben Sie mir den Schlüssel«, bellte Will und drückte noch fester gegen den Schädel des Mannes.
» Tasche«, quetschte Simkov hervor, den Mund so fest auf die Platte gedrückt, dass seine Zähne über den Marmor kratzten.
Will riss ihn hoch, kontrollierte seine vorderen Taschen und fand einen Schlüsselring. Er warf ihn Faith zu und ging dann, die geballten Fäuste an die Seiten gedrückt, durch die offenen Aufzugstüren.
Faith drückte auf den Knopf für das Penthouse. » O Mann«, flüsterte sie. » Dem haben Sie aber gezeigt, wo’s langgeht, was? Sie können ja wirklich ein harter Bursche sein. Aber jetzt reicht’s auch wieder.«
» Er bewacht die Tür.« Will war so wütend, dass er kaum sprechen konnte. » Er weiß alles, was in diesem Gebäude passiert. Er hat die Schlüssel zu allen Wohnungen, auch zu Annas.«
Sie schien zu begreifen, dass er keine Schau abzog. » Okay. Sie haben recht. Aber jetzt sollten wir einen Gang zurückschalten, okay? Wir wissen nicht, was wir da oben finden werden.«
Will spürte die Sehnen in seinen Armen vibrieren. Die Aufzugstüren öffneten sich zur Penthouse-Etage. Er schlich in den Gang und wartete, bis Faith den Schlüssel mit dem richtigen Etikett gefunden hatte. Sie fand ihn, und er legte seine Hand auf ihre und übernahm.
Will ging es nicht sachte an. Er zog seine Waffe und stieß die Tür auf.
» Igitt«, machte Faith und hielt sich die Nase zu.
Will roch es ebenfalls – diese eklig süße Mischung aus verbranntem Plastik und Zuckerwatte.
» Crack«, sagte sie und wedelte mit der Hand vor dem Gesicht.
» Schauen Sie.« Er deutete ins Foyer direkt hinter der Tür. Aufgerollte Konfettischeibchen lagen in einer getrockneten gelben Flüssigkeit auf dem Boden. Taser-Scheibchen.
Vor ihnen befand sich ein langer Gang mit zwei Türen an einer Seite, beide geschlossen. Direkt vor ihnen konnten sie das Wohnzimmer sehen. Couchen waren umgekippt, die Polsterung war herausgerissen. Überall lag Müll. Ein massiger Mann lag bäuchlings im Gang, die Arme ausgestreckt, das Gesicht zur Wand gedreht. Eine Adernpresse war um seinen Bizeps gebunden. Die Nadel einer Spritze steckte noch in seinem Arm.
Will hielt seine Glock vor sich ausgestreckt, als er den Gang entlangging. Auch Faith zog ihre Waffe, aber er bedeutete ihr zu warten. Will konnte bereits den Verwesungsgestank riechen, doch er tastete für alle Fälle nach einem Puls. Neben dem Fuß des Mannes lag eine Waffe, ein Revolver Smith and Wesson mit einem speziell angefertigten, goldenen Griff, der die Waffe aussehen ließ wie etwas, das man früher in der Spielzeugabteilung eines Ramschladens fand. Will trat die Waffe weg, auch wenn der Mann nie mehr nach ihr greifen würde.
Will winkte Faith herein und ging dann zur ersten geschlossenen Tür im Gang. Er wartete, bis sie bereit war, und stieß dann die Tür auf. Es war ein Wandschrank, alle Jacken und Mäntel lagen in einem Haufen auf dem Boden. Will trat mit dem Fuß gegen den Haufen und schaute unter den Sachen nach, bevor er zur nächsten geschlossenen Tür ging. Wieder wartete er auf Faith und trat sie dann auf.
Sie mussten beide würgen wegen des Gestanks. Die Toilette lief über.
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