Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sara Linton 01 - Tote Augen

Sara Linton 01 - Tote Augen

Titel: Sara Linton 01 - Tote Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
Vom Netzwerk:
der Wohnung.
    » Will …«
    Er ging ins angrenzende Bad und kontrollierte dort den Mülleimer. » Ich will jetzt mit dem Portier sprechen.«
    » Warum lassen Sie nicht …«
    Will verließ das Zimmer, bevor sie den Satz beendet hatte. Er ging wieder ins Wohnzimmer, schaute unter den Couchen nach und zog das Polstermaterial aus einigen der Sessel, um nachzusehen, ob etwas – oder jemand – darin versteckt war.
    Der Uniformierte probierte eben das Koks und schien zufrieden mit dem Ergebnis. » Das ist ein Riesenfang. Ich muss das melden.«
    » Geben Sie mir noch ein paar Minuten«, sagte Will.
    Einer der Sanitäter fragte: » Sollen wir bleiben?«
    Faith sagte: » Nein« und Will gleichzeitig: » Ja.«
    Er wurde deutlicher: » Sie gehen nirgendwohin.«
    Faith fragte den Mann: » Kennen Sie einen Notfallsanitäter namens Rick Sigler?«
    » Rick? Ja«, sagte der Mann, als wäre er überrascht, dass sie gefragt hatte.
    Will blendete die Unterhaltung aus. Er ging noch einmal zur vorderen Toilette und schloss dann die Tür, als er zurück ins Foyer zu den Taser-Scheibchen ging. Er bückte sich, um sie genauer zu untersuchen. Er war sich ziemlich sicher, dass sie in getrocknetem Urin lagen.
    Will richtete sich auf, trat vor die Tür und schaute sich die Wohnung noch einmal an. Annas Penthouse nahm den gesamten obersten Stock des Gebäudes ein. Es gab keine anderen Wohnungen, keine Nachbarn. Niemand hätte sie schreien hören oder ihren Angreifer sehen können.
    Der Täter hatte sicher auch vor der Tür gestanden, so wie Will es jetzt tat. Er schaute den Gang entlang und dachte, dass der Mann vielleicht die Treppe heraufgekommen war. Es gab einen Notausgang. Er hätte auf dem Dach sein können. Vielleicht hatte ihn aber auch der nutzlose Portier durch den Haupteingang hereingelassen, ihm vielleicht sogar den Knopf im Aufzug gedrückt. In Annas Wohnungstür war ein Spion. Sie hätte mit Sicherheit zuerst hindurchgesehen. Diese Frauen waren alle vorsichtig. Wen würden sie hereinlassen? Einen Lieferanten. Handwerker. Vielleicht den Portier.
    Faith kam auf ihn zu. Ihr Gesichtsausdruck war unergründlich, aber er kannte sie gut genug, um zu wissen, was sie dachte: Es ist Zeit zu gehen.
    Will schaute noch einmal den Gang entlang. In der gegenüberliegenden Wand befand sich etwa auf halber Höhe noch eine Tür.
    Faith sagte: » Will …«, aber er ging bereits auf die geschlossene Tür zu. Er öffnete sie. Drinnen sah er die Metallklappe des Müllschluckers. Pappkartons warteten aufeinandergestapelt aufs Recyceln. Es gab einen Korb für Glas, einen für Dosen. In dem Behälter für Plastik lag ein Baby. Die Augen waren nur Schlitze, die Lippen leicht geöffnet. Die Haut war weiß und wächsern.
    Faith kam dazu. Sie packte Wills Arm. Will konnte sich nicht rühren. Die Welt drehte sich nicht mehr. Er hielt sich am Türknauf fest, damit seine Knie nicht unter ihm nachgaben. Aus Faiths Mund kam ein Laut, der klang wie ein leises Klagen.
    Das Baby drehte den Kopf in die Richtung des Geräusches, seine Augen öffneten sich langsam.
    » O mein Gott«, hauchte Faith. Sie schob Will beiseite, ging auf die Knie und griff nach dem Kind. » Holen Sie Hilfe. Will, holen Sie Hilfe.«
    Will merkte, wie die Welt sich wieder zu drehen begann. » Hierher!«, rief er den Sanitätern zu. » Bringen Sie Ihren Koffer mit.«
    Faith drückte das Baby an sich und suchte nach Schnitten oder Prellungen. » Kleines Lämmchen«, flüsterte sie. » Alles okay. Ich hab dich jetzt. Alles okay.«
    Will sah, wie sie mit dem Kind umging, ihm die Haare zurückstrich und ihn auf die Stirn küsste. Die Augen des Babys waren kaum geöffnet, die Lippen weiß. Will wollte etwas sagen, aber ihm blieben die Worte im Hals stecken. Ihm war zugleich heiß und kalt, so als würde er jetzt gleich vor aller Augen zu weinen anfangen.
    » Ich hab dich, Liebling«, murmelte Faith, die Stimme belegt vor Sorge. Tränen liefen ihr übers Gesicht. Will hatte sie noch nie als Mutter erlebt, zumindest nicht mit einem Kleinkind. Es brach ihm das Herz, Faiths sanfte Seite zu sehen, den Teil von ihr, der sich so sehr um ein anderes menschliches Wesen sorgte, dass ihre Hände zitterten, als sie das Kind an sich drückte.
    Sie flüsterte: » Er weint nicht. Warum weint er nicht?«
    Will brachte endlich ein paar Worte heraus. » Er weiß, dass niemand kommt.« Er bückte sich, legte die Hände um den Kopf des Jungen und versuchte, nicht an die Stunden zu denken, die das Kind allein hier

Weitere Kostenlose Bücher