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Sara Linton 01 - Tote Augen

Sara Linton 01 - Tote Augen

Titel: Sara Linton 01 - Tote Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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ein Kassenbuch. Henry saß auf einem Stuhl neben dem Fenster. Er hatte eine Zeitung in der Hand, und er schüttelte und faltete sie behutsam, bevor er sich Will und Faith zuwandte.
    Tom hatte nicht gelogen, als er sagte, sein Vater sei verärgert, weil er sein Golfspiel verpasse. Henry Coldfield sah aus wie die Parodie eines mürrischen, alten Mannes.
    » Soll ich noch Stühle holen?«, fragte Tom. Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern verschwand, bevor irgendjemand etwas sagen konnte. Das Büro war durchschnittlich groß, was hieß, vier Leute fanden darin Platz, ohne mit dem Ellbogen an die Wand zu stoßen. Dennoch blieb Will in der Tür stehen, während Faith sich auf den einzigen freien Stuhl setzte. Normalerweise vereinbarten sie vorab, wer das Reden übernehmen sollte, aber diesmal gingen sie kalt in die Befragung. Als Will Faith fragend anschaute, zuckte sie nur die Achseln. Die Familie war schwer einzuschätzen. Sie mussten sich im Verlauf des Gesprächs ein Bild machen. Der erste Schritt bei einer Befragung ist es immer, eine Situation zu schaffen, in der die Zeugen sich wohlfühlen. Leute öffneten sich eher und zeigten sich kooperativ, wenn man ihnen deutlich machte, dass man nicht der Feind war. Da Faith direkt vor ihnen saß, fing sie an.
    » Mr und Mrs Coldfield, vielen Dank, dass Sie bereit sind, mit uns zu sprechen. Ich weiß, dass Sie bereits mit Detective Galloway gesprochen haben, aber was Sie in dieser Nacht erlebt haben, war sehr traumatisch. Manchmal braucht man dann ein paar Tage, bis man sich an irgendwas erinnert.«
    » So etwas ist uns zuvor noch nie passiert«, sagte Judith Coldfield, und Will fragte sich, ob sie glaubte, dass andere routinemäßig Frauen anfuhren, die in einer unterirdischen Höhle vergewaltigt und gefoltert worden waren.
    Henry schien das ebenfalls zu bemerken. » Judith.«
    » O Gott.« Judith hielt sich die Hand vor den Mund, um das verlegene Lächeln zu verdecken. Will sah, woher Tom seine vorstehenden Zähne und die Neigung zum Erröten hatte. Die Frau erklärte: » Ich will damit sagen, dass wir noch nie mit der Polizei zu tun gehabt haben.« Sie tätschelte ihrem Gatten die Hand. » Henry hat einmal einen Strafzettel wegen zu schnellen Fahrens bekommen, aber dieses eine Mal reichte. Wann war das, Lieber?«
    » Im Sommer 83«, antwortete Henry, und an den angespannten Kiefermuskeln sah man, dass er dieses Erlebnis noch immer nicht überwunden hatte. Er schaute Will an, als könne nur ein Mann das verstehen. » Sieben Meilen über der Höchstgeschwindigkeit.«
    Will überlegte sich, was er Tröstendes sagen könnte, aber ihm fiel nichts ein. Er fragte Judith: » Sie sind aus dem Norden?«
    » Ist das so offensichtlich?« Sie lachte und hielt sich dabei wieder die Hand vor den Mund. Sie war sehr unsicher wegen ihrer vorstehenden Zähne. » Pennsylvania.«
    » Haben Sie dort gelebt, bevor Sie in den Ruhestand gingen?«
    » O nein«, sagte Judith. » Henrys Arbeit hat uns ganz schön herumgeführt. Meistens im Nordwesten. Wir wohnten in Oregon, Washington State, Kalifornien – aber dort hat es uns nicht gefallen, oder?« Henry machte ein mürrisches Geräusch. » Wir waren in Oklahoma, aber nicht lange. Waren Sie schon mal dort? Es ist so flach.«
    Faith kam zur Sache. » Waren Sie je in Michigan?«
    Judith schüttelte den Kopf, aber Henry ergänzte: » 71 habe ich in Michigan einmal ein Football-Spiel gesehen. Michigan gegen Ohio State. Zehn zu sieben. Wäre beinahe erfroren.«
    Faith nutzte die Gelegenheit, um ihn aus der Reserve zu locken. » Sie sind Football-Fan?«
    » Kann’s nicht ausstehen.« Sein Stirnrunzeln schien darauf hinzudeuten, dass er über die Situation damals noch immer unglücklich war, auch wenn die meisten Leute töten würden, um so ein Spiel zu sehen.
    » Henry war Vertreter«, sagte nun Judith. » Und auch davor ist er ziemlich herumgekommen. Sein Vater war dreißig Jahre lang in der Armee.«
    Faith übernahm und versuchte, zu dem Mann durchzudringen. » Mein Vater war ebenfalls in der Armee.«
    Wieder drängte Judith sich vor. » Henry wurde im Krieg vom Dienst zurückgestellt, weil er auf dem College war.« Will nahm an, dass sie Vietnam meinte. » Wir hatten natürlich Freunde, die gedient hatten, und Tom war bei der Air Force, worauf wir wirklich stolz sind. Nicht, Tom?«
    Will hatte gar nicht bemerkt, dass Tom zurückgekehrt war. Der Sohn der Coldfields lächelte entschuldigend. » Tut mir leid, aber keine Stühle mehr. Die Kinder

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