Sara
laut in der Stille, daß ich aufschrie. Ich würde von hier wegfahren, und zwar sofort. Ich würde keine Anrufe mehr erledigen, nicht mehr Privatdetektiv Andy Drake spielen, keine Aussagen und kein halbherziges Werben um die schöne Dame mehr. Ich hätte schon in der ersten Nacht meinen Instinkten folgen und Dodge City schnellstens verlassen sollen. Nun, ich würde jetzt gehen, einfach in den Chevy einsteigen und nach Derry ras-
Bunters Glöckchen läutete wie verrückt. Ich drehte mich um und sah es an seinem Hals tanzen, als würde eine unsichtbare Hand es hin und her schlagen. Die Tür zur Terrasse ging auf und zu, als würde sie an einer Schnur gezogen. Das Buch mit den extrakniffligen Rätseln auf dem Sofa und die Programmzeitschrift wurden aufgeweht, die Seiten flatterten. Eine Reihe rasselnder Polterlaute ertönten auf dem Boden, als würde etwas Riesiges schnell auf mich zukriechen und dabei mit den Fäusten schlagen.
Ein Luftzug - nicht kalt, sondern warm wie der Luftstrom, den eine U-Bahn in einer Sommernacht vor sich herschiebt - strich an mir vorbei. Darin hörte ich eine fremde Stimme, die zu sagen schien: Bye-BY, bye-BY, bye-BY , als wollte sie mir eine gute Heimfahrt wünschen. Als mir klar wurde, daß sie in Wirklichkeit Ki-Ki, Ki-Ki, Ki-Ki sagte, stieß etwas mit mir zusammen und warf mich brutal nach vorne. Es fühlte sich wie eine große, weiche Faust an. Ich kippte über den Tisch, klammerte mich daran fest, damit ich nicht fiel, und kippte den Ständer mit Salz- und Pfefferstreuer, den Serviettenhalter und die kleine Vase um, die Mrs. M. mit Gänseblümchen gefüllt hatte. Die Vase rollte vom Tisch und zerschellte. Der Fernseher in der Küche plärrte, ein Politiker erzählte, daß die Inflation wieder anstieg. Der CD-Player fing an zu spielen und übertönte den Politiker; es waren die Rolling Stones mit einer Coverversion von Sara Tidwells ›I Regret You, Baby‹. Oben heulte ein Rauchmelder auf, dann noch einer, dann ein dritter. Einen Augenblick später stimmte der Diebstahlalarm des Chevy ein. Die ganze Welt war eine einzige Kakophonie.
Etwas Heißes und Bauschiges umklammerte mein Handgelenk. Meine Hand schoß vorwärts wie ein Kolben und schlug auf den Stenoblock. Ich sah zu, wie sie ungeschickt eine unbeschriebene Seite aufschlug und den Stift ergriff, der in der Nähe lag. Ich umklammerte ihn wie einen Dolch, und dann schrieb etwas damit, führte meine Hand aber nicht, sondern vergewaltigte sie förmlich. Anfangs bewegte sich die Hand langsam, fast blind, dann wurde sie allmählich schneller, bis sie flog und das Papier fast zerriß:
Ich hatte das untere Ende der Seite fast erreicht, als die Kälte sich wieder herniedersenkte, diese äußere Kälte, die wie ein Graupelschauer im Januar war, meine Haut abkühlte, den Rotz in meiner Nase gefrieren ließ und mir zwei weiße Atemwölkchen aus dem Mund trieb. Meine Hand verkrampfte sich, der Bleistift brach entzwei. Hinter mir läutete Bunters Glöckchen in einem letzten rasenden Aufwallen und verstummte. Ebenfalls hinter mir ertönte ein eigentümliches doppeltes Plopp, als würden Sektkorken knallen. Dann war es vorbei. Was immer es gewesen war oder wie viele es gewesen waren, es war vorbei. Ich war wieder allein.
Ich schaltete den CD-Player ab, als Mick und Keith gerade eine für weiße Jungs typische Version von Howling Wolf anstimmten, rannte nach oben und drückte die Reset-Tasten der Rauchmelder. Oben beugte ich mich auch zum Fenster hinaus, zielte mit dem Infrarotsucher meines Schlüsselrings auf den Chevrolet und drückte den Knopf darauf. Der Alarm verstummte.
Als der schlimmste Lärm aufgehört hatte, konnte ich den Fernseher in der Küche schnattern hören. Ich ging nach unten, schaltete ihn ab, erstarrte mit den Händen auf der Aus-Taste und sah zu Jos geschmackloser Uhr mit dem Wackelschwanz. Sie hatte endlich aufgehört zu ticken, ihre großen Plastikaugen lagen auf dem Boden. Sie waren ihr einfach aus dem Kopf gesprungen.
Ich ging ins Village Café, um etwas zu essen, riß die letzte Sunday Telegram aus dem Regal (COMPUTER-MOGUL DEVORE STIRBT IM WESTLICHEN MAINE IN DER STADT, WO ER AUFWUCHS lautete die Schlagzeile) und setzte mich an den Tresen. Das Foto war eine Studioaufnahme von Devore, die etwa dreißig Jahre alt zu sein schien. Er lächelte. Das machen die meisten Menschen ganz natürlich. Bei Devore sah es wie eine erlernte Technik aus.
Ich bestellte die Bohnen, die von Buddy Jellisons samstäglichem
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