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Sara

Sara

Titel: Sara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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anderen wieder hinausging. Manchmal steckte sie mir kleine Zettel - Dinge zu erledigen, Anrufe zu machen - ans Hemd, als wäre ich ein Erstkläßler. Aber würde ich mich nicht erinnern, wenn sie gesagt hätte: »Ich fahre runter zu Sara, Liebling, UPS stellt etwas zu, das ich persönlich in Empfang nehmen möchte, hättest du Interesse, eine Dame zu begleiten?« Verdammt, wäre ich nicht mit ihr gegangen? Ich akzeptierte jede Ausrede, um zum TR zu gehen. Aber ich hatte an diesem Drehbuch gearbeitet und es vielleicht ein bißchen übertrieben … Zettel, die sie mir an den Hemdsärmel steckte … Falls du rausgehst, wenn du fertig bist, wir brauchen Milch und Orangensaft …
    Ich betrachtete die Überbleibsel von Jos Gemüsegarten, wobei mir die Julisonne ins Genick brannte, und dachte an Eulen, die gottverdammten Plastikeulen. Angenommen, Jo hatte mir gesagt, daß sie hierher nach Sara Lacht fuhr? Angenommen, ich hatte das Angebot, fast ohne es zu hören, abgelehnt, weil ich mich in der Schreib-Zone befand? Selbst wenn man das alles voraussetzte, blieb eine Frage: Warum hatte sie es als erforderlich angesehen, persönlich herzukommen, obwohl sie doch jederzeit jemanden hätte anrufen und bitten können, die Sendung entgegenzunehmen? Kenny Auster hätte es mit Freuden getan, dito Mrs. M., und Bill Dean, unser Hausmeister, war sogar hier gewesen. Das führte zu anderen Fragen - eine war, warum sie UPS die verdammten Dinger nicht einfach nach Derry hatte liefern lassen -, und schließlich war ich überzeugt, daß ich nicht leben konnte, ohne eine dieser Plastikeulen mit eigenen Augen zu sehen. Vielleicht, dachte ich, als ich zum Haus zurückkehrte, würde ich eine auf das Dach meines Chevy stellen, wenn er in der Einfahrt parkte. Als Vorbeugemaßnahme gegen zukünftige Bombenabwürfe.

    In der Diele blieb ich stehen, weil mir plötzlich ein Gedanke kam, und rief Ward Hawkins an, den Mann in Waterville, der sich um meine Steuern und die wenigen geschäftlichen Angelegenheiten kümmert, die nichts mit dem Schreiben zu tun haben.
    »Mike!« sagte er herzlich. »Wie ist der See?«
    »Der See ist kühl, und das Wetter ist warm, genau wie wir es mögen«, sagte ich. »Ward, du hebst alle Unterlagen, die wir dir schicken, fünf Jahre auf, richtig? Falls das IRS beschließt, uns Kummer zu machen?«
    »Fünf entspricht der üblichen Praxis«, sagte er, »aber deine Unterlagen hebe ich sieben auf - in den Augen der Jungs von der Steuer bist du eine ziemlich fette Taube.«
    Lieber eine fette Taube als eine Plastikeule , dachte ich, sagte es aber nicht. Statt dessen sagte ich: »Dazu gehören auch Terminkalender, richtig? Meine und die von Jo bis zu ihrem Tod?«
    »Unbedingt. Da keiner von euch ein Tagebuch geführt hat, war das die beste Möglichkeit, Quittungen und geltend gemachte Ausgaben abzugleichen mit -«
    »Könntest du Jos Terminkalender von 1993 suchen und nachsehen, was sie in der zweiten Novemberwoche unternommen hat?«
    »Mit Vergnügen. Wonach suchst du speziell?«
    Einen Augenblick sah ich mich an meinem ersten Abend als Witwer in Derry am Küchentisch sitzen, wo ich eine Packung mit der Aufschrift Norco Heimschwangerschaftstest auf der Seite in die Höhe hielt. Wonach suchte ich nach so langer Zeit wirklich? Bedachte man, daß ich die Frau geliebt hatte und sie seit fast vier Jahren unter der Erde war, wonach suchte ich? Außer nach Schwierigkeiten?
    »Ich suche nach zwei Plastikeulen«, sagte ich. Ward glaubte wahrscheinlich, daß ich mit ihm redete, aber ich war nicht so sicher. »Ich weiß, das hört sich komisch an, aber ich suche wirklich danach. Kannst du mich zurückrufen?«
    »In einer Stunde.«
    »Prima«, sagte ich und legte auf.

    Nun zu den Eulen selbst. Wo war die wahrscheinlichste Stelle, um zwei derart interessante Kunstgegenstände aufzubewahren?
    Mein Blick fiel auf die Kellertür. Elementar, mein lieber Watson.
     
    Die Kellertreppe war dunkel und leicht klamm. Als ich auf dem Absatz stand und nach dem Lichtschalter tastete, fiel die Tür hinter mir mit solcher Wucht ins Schloß, daß ich überrascht aufschrie. Keine Brise, kein Luftzug, der Tag war vollkommen windstill, aber die Tür schlug trotzdem zu. Oder wurde zugezogen.
    Ich stand im Dunkeln auf der obersten Stufe, tastete nach dem Lichtschalter und roch diesen stickigen Geruch, den selbst gute Betonfundamente nach einer Weile bekommen, wenn nicht richtig gelüftet werden kann. Es war kalt, viel kälter als auf der anderen Seite der Tür.

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