Sarah Dearly Bd. 5 - Verliebt, verlobt, verbissen
sind Leute. Sie können denken, sie können weinen, Witze machen, Liebe machen; sie haben Leben und Arbeit und führen Ehen und nur, weil sie ein bisschen anders sind, fühlst du dich berechtigt, sie umzubringen. Du weißt, dass du das Falsche tust, aber du machst es trotzdem.«
Als er nichts erwiderte, lief ich einmal im Raum auf und ab und baute mich vor ihm auf. »Bist du denn trotz deiner ganzen Frauen, deinem Geld und deiner Macht innerlich so tot, Gideon? Das muss es sein. Vergiss das Höllenfeuer. Du bist sowieso schon tot, und wahrscheinlich fühlst du dich nur noch lebendig, wenn du Vampire umbringst.«
Okay, so lange hatte ich nicht sprechen wollen. Vielleicht sollte ich in die Politik gehen. Aber es kam schließlich nicht jeden Tag vor, dass ein simpler Zögling sich mit dem Anführer der Jäger anlegte und ihm die Meinung geigte.
Das halbe Semester Psychologie an der Universität zahlte sich irgendwie doch aus. Gideon war vielleicht überaus gutaussehend und bei den Mädchen beliebt; vielleicht hatte er jede Menge Macht, und überall auf der Welt sahen die Jäger zu ihm auf, wie schon zu seinem Vater und seinem Großvater vor ihm. Aber er war bloß eine hübsche Verpackung, die rein zufällig wie ein Mann aussah. Komischerweise hatte ich auf einmal Mitleid mit ihm.
Gideon starrte mich schweigend an. Nur an seinen vor Schmerz flackernden Augen erkannte ich, dass er noch lebte.
Ich wartete auf eine Antwort und hatte Angst, dass ich zu weit gegangen war. Doch ich war so wütend, dass es mir eigentlich auch egal war.
»Du bist nicht der erste weibliche Vampir, mit dem ich Zeit verbringe«, sagte er. »Vor einer Weile bin ich schon einer anderen begegnet. Sie war schön und stark und tödlich. Ich wollte sie umbringen, aber stattdessen hat sie mich verführt. Es war der beste Sex, den ich je hatte, aber ich wusste, dass sie es nur tat, um ihre Haut zu retten. Sie war eine Opportunistin. Ganz und gar egozentrisch. Sie war bereit, alles zu tun, um ihr Leben zu retten. Als ich am nächsten Morgen erwachte, war sie gegangen.«
Ich befeuchtete meine trockenen Lippen. »Du solltest die Geschichte aufschreiben und es der Literaturredaktion von Penthouse schicken. Denen würde das sicher gefallen.«
Er sah mich unverwandt an. »Einen Moment während unseres Stelldicheins habe ich mehr als nur einen Vampir in ihr gesehen, mehr als das Monster. Ich habe auf einmal die Frau in ihr gesehen. Wäre sie am nächsten Morgen noch da gewesen, hätte ich sie nicht umgebracht. Etwas in mir war passiert. Irgendetwas war anders. Aber als sie weg war, habe ich das Gefühl schnell wieder vergessen. Seither gibt es jedoch einen Teil in mir, der deinem Urteil über mich vollkommen zustimmt. Dass ich das Monster bin. Nicht sie. Nicht du .«
»Wow, sie muss echt gut im Bett gewesen sein«, sagte ich leichthin, hatte jedoch einen Kloß im Hals, als ich hörte, dass er seine böse Haltung etwas geändert hatte. »Trotzdem hast du weitergemacht wie bisher, oder?«
»Ja. Das kann ich nicht leugnen. Es stimmt, was du sagst.
Erst durch das Jagen fühle ich mich als ganzer Mensch. Es war eine Herausforderung, die ich ansonsten vermisst habe. Aber …« Er runzelte die Braue. »… jetzt, wo ich kurz davorstehe, ebenfalls zum Vampir zu werden. Aus freien Stücken …«
»Nicht, dass dir viel anderes übrig bliebe.«
»Nein, aber der Gedanke, zu dem zu werden, was ich immer gejagt habe, macht mir weder Angst noch Sorgen. Es gibt mir Hoffnung. Ich will nicht wieder so werden, wie ich war. Ich will anders werden. Ich will mich ändern. Vielleicht kann ich sogar andere Jäger überzeugen, Vampire mit anderen Augen zu sehen.«
Mir lief ein Schauder über die Arme. Ich schüttelte den Kopf und wollte ihm nicht glauben. »Du lügst mich doch an, oder?«
»Nein.« Er blinzelte. »Hilf mir, Sarah. Bitte gib mir etwas von deinem Blut. Vielleicht funktioniert es ja gar nicht, aber du bist die Einzige, die meine Schmerzen lindern könnte.«
Ich hatte noch nicht verarbeitet, was er gesagt hatte. Es war zu unglaublich. Gideon wollte sich ändern? Er wollte andere überzeugen?«
»Verdammt«, flüsterte ich, als ich sah, wie er erneut vor Schmerz zitterte. Seine Brust zuckte.
Gut. Sarahs Happy Hour hatte offiziell begonnen, selbst wenn er mir nichts als leere Versprechungen gegeben hatte.
Als ich mit der Klinge über meinen Unterarm strich, spürte ich es noch nicht einmal. Okay, das war gelogen. Es brannte höllisch, aber es war hilfreich,
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