Sarah Maclean
handelte, an die sie sich gern
erinnerte.
An diesem Abend jedoch war es anders. An diesem Abend
bereute Callie zutiefst, dass sie am Nachmittag dieses Dinner
im Familienkreis vorgeschlagen hatte. An diesem Abend schie-
nen sogar die Ahnen aus ihren Porträts spöttisch auf sie he-
rabzublicken.
Sie schluckte ein Seufzen hinunter und setzte ein Lächeln
auf, als sie ihre Tante Beatrice mit strahlendem Gesicht auf sich
zusteuern sah. Callie wusste genau, was ihr jetzt bevorstand ...
und dass es unvermeidbar war.
„Ist es nicht wundervoll? Ein so glückliches Paar! Was für
eine feine Partie!"
„Das ist es in der Tat, Tante Beatrice", stimmte Callie ihr zu
und wandte sich zu dem besagten Paar um. Im Lauf dieses end-
losen Abends hatte sie festgestellt, dass dieses spezielle Ge-
spräch etwas leichter zu ertragen war, wenn sie dabei Mariana
und Rivington ansah. Eine winzige Spur leichter zu ertragen.
„Es ist herrlich, Mariana so glücklich zu sehen."
Die alte Dame legte eine verrunzelte Hand auf Callies Arm.
Jetzt kommt es, dachte Callie und biss die Zähne zusammen.
„Bestimmt ist deine Mutter froh, dass sie endlich eine Hochzeit
planen darf", meinte die alte Dame und gackerte vor Belusti-
gung. „Bei dir und Benedick bestand da ja wohl wenig Hoff-
nung, dass es je dazu kommen würde!"
Callie rang sich ein Lachen ab, das ihr etwas zu laut geriet,
und sah sich im Salon nach jemandem - irgend jemandem - um,
der sie vor diesem schier unerschöpflichen Strom von unhöfli-
chen, impertinenten Familienmitgliedern bewahren könnte. In
den drei Stunden, die seit Eintreffen des ersten Dinnergastes
vergangen waren, hatte Callie Variationen dieser Unterhaltung
mit zwölf verschiedenen Leuten geführt. Beim Dinner hatte
sie besonders gelitten, denn da hatte sie zwischen Rivingtons
rechthaberischer Großmutter und einem besonders gefühllosen
Vetter gesessen, die beide der Ansicht waren, Callies unverhei-
rateter Status sei ein passendes und angemessenes Gesprächs-
thema. Allmählich gelangte sie zu der Überzeugung, dass es
weder bei den Rivingtons noch bei den Allendales ein Fami-
lienmitglied gab, das über ein Mindestmaß an Takt verfügte.
Glaubten sie denn wirklich, dass es ihr nichts ausmachte, stän-
dig daran erinnert zu werden, dass sie eine vertrocknete alte
Jungfer war, die ein für alle Mal keinen passenden Mann mehr
abbekommen würde? Es war wirklich zu viel.
Da keinerlei Rettung in Sicht war, entschied sie sich statt-
dessen, einen Lakaien mit einem Tablett Sherrygläsern heran-
zuwinken. Sie nahm ein Glas, wandte sich ihrer Tante zu und
fragte: „Darf ich dir auch ein Gläschen anbieten, Tante Bea-
trice?"
„Ach herrje, nein, ich vertrage das Zeug doch nicht", erklärte
die alte Dame. In ihrer Stimme schwang leise Empörung mit.
„Weißt du, Calpurnia, dein Ruf könnte Schaden nehmen, wenn
du so in aller Öffentlichkeit Wein trinkst."
„Nun ja, heute Abend brauche ich mir deswegen wohl keine
Gedanken zu machen, meinst du nicht auch?"
„Nein, dein Ruf ist vermutlich nicht in Gefahr, Calpurnia."
Tante Beatrice tätschelte ihr mit unbewusster Herablassung
den Arm. „Es ist wirklich tragisch, nicht? Man hätte es nicht
vorhersehen können. Bei deiner Mitgift hätte man eigentlich
nicht erwartet, dass du nie heiratest."
Die Andeutung, dass nicht einmal ihre Mitgift ausgereicht
hatte, sie erfolgreich unter die Haube zu bringen, weckte in
Callie erst Bestürzung und dann Zorn. Bevor sie jedoch ant-
worten konnte, redete Tante Beatrice schon weiter.
„Und jetzt, in deinem Alter, sollten wir die Hoffnung einfach
aufgeben. Unmöglich, dass dir jetzt noch jemand einen Antrag
macht, nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Es sei denn, es
handelt sich dabei um einen alten Herrn, der sich kurz vor dem
Grab noch ein wenig Gesellschaft wünscht. Das wäre vielleicht
noch denkbar."
Vor Callies innerem Auge spielte sich eine hübsche kleine
Szene ab, eine, bei der ihre Tante am Ende mit Rotwein bekle-
ckert war. Sie verscheuchte den Traum, stellte ihr Glas sorgfäl-
tig ab und wandte sich wieder ihrer Tante zu, die immer noch
über Callies Ehelosigkeit schwadronierte.
„Natürlich ist es der Sache nicht besonders dienlich, dass
deine Figur ein wenig ... nun ja ... unglücklich ist. Rubens'Tage
sind schließlich längst vorüber, Calpurnia."
Callie war sprachlos. Sie konnte dieses schreckliche Weib
nicht richtig verstanden haben.
„Hast du
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