Sarah Maclean
schon in Erwägung gezogen, dich eine Weile von
gekochten Eiern und Kohl zu ernähren? Wie ich höre, soll diese
Diät wahre Wunder bewirken. Dann wärst du nicht so ... nun
ja ... üppig!" Wieder gackerte Tante Beatrice entzückt auf. Of-
fenkundig genoss sie ihre kleine Ansprache und war sich gar
nicht bewusst, wie unverzeihlich rüde sie war. „Dann könnten
wir vielleicht doch noch einen Ehemann für dich finden!"
Callie musste entrinnen, ehe sie entweder einem Familienmit-
glied oder ihrer eigenen geistigen Gesundheit Gewalt anttat.
Ohne ihre Tante anzusehen - andernfalls hätte sie sich vielleicht
dazu hinreißen lassen, der alten Schreckschraube ein paar unan-
genehme Dinge zu sagen - verabschiedete sie sich von ihr. „Ver-
zeihung, Tante Beatrice, ich glaube, ich müsste mal in die ... Kü-
che. " Ihr war egal, dass das nicht sehr plausibel klang, schließlich war das Dinner längst vorüber - sie wollte einfach weg.
Die Tränen mühsam unterdrückend, floh Callie ins Arbeits-
zimmer ihres Bruders. Dort war sie vor unhöflichen Gästen in
Sicherheit. Im hellen Mondlicht, das durch die großen Fenster
an einer Wand des Arbeitszimmers fiel, ging sie zur Anrichte,
nahm sich ein Glas und eine Karaffe Sherry und wandte sich
dann zu einem großen Sessel in der Ecke des Raums, der den
männlichen Allendales schon seit Langem als Zuflucht diente.
Heute Abend wird er einer weiblichen Allendale Zuflucht
bieten müssen, dachte sie und stieß seufzend den Atem aus,
während sie sich ein Glas Sherry eingoss. Dann stellte sie die
schwere, geschliffene Karaffe auf dem Boden ab, legte die Beine
über die Sessellehne und machte es sich gemütlich.
„Was gibt es zu seufzen, Schwesterlein?"
Callie fuhr zusammen und sah in Richtung des imposanten
Mahagonischreibtisches, der an der gegenüberliegenden Raum-
seite stand. Schemenhaft erkannte sie die Gestalt am Schreib-
tisch und lächelte breit in die Dunkelheit. „Hast du mich er-
schreckt."
„Na, du musst schon entschuldigen, wenn ich dich nicht um
Verzeihung bitte. Du bist schließlich in meiner Höhle." Benedick Hartwell, Earl of Allendale, erhob sich, durchquerte das
Zimmer und setzte sich Callie gegenüber in einen Sessel. „Hof-
fentlich hast du dafür einen guten Grund, sonst muss ich dich
zurückschicken."
„Ach ja? Mich würde ja schon interessieren, wie du das anzu-
stellen gedenkst, schließlich kannst du nicht auf meine Flucht
aufmerksam machen, ohne dich selbst zu verraten", neckte sie
ihn.
„Wie wahr." Benedicks weiße Zähne blitzten auf. „Also gut,
du darfst bleiben."
„Danke." Sie prostete ihm mit ihrem Glas Sherry zu. „Zu
freundlich von dir."
Benedick ließ seinen Whisky im Glas kreisen, Callie nahm ei-
nen großen Schluck Sherry und lehnte sich mit geschlossenen
Augen entspannt zurück. Sie genoss das einträchtige Schwei-
gen. Nach ein paar Minuten fragte er: „Und, was hat dich ver-
anlasst, vor dem Familienfest davonzulaufen?"
Callie machte die Augen nicht auf. „Tante Beatrice."
„Was hat die alte Schachtel denn jetzt schon wieder ange-
stellt?"
„Benedick!"
„Willst du mir etwa weismachen, dass du in Gedanken nicht
bemerkenswert ähnliche Worte für sie verwendest?"
„Von ihr auf diese Weise zu denken ist eine Sache. Es laut zu
sagen ist etwas ganz anderes."
Benedick lachte. „Du bist viel zu wohlerzogen. Was hat unse-
re liebe, verehrte, hoch geschätzte Tante also zu dir gesagt, dass
du dich in einen dunklen Raum flüchten musst?"
Sie seufzte und schenkte sich nach. „Nichts, was die anderen
Familienmitglieder in diesem Raum nicht auch gesagt hätten.
Sie war nur sehr viel unverschämter."
„Ah. Es ging ums Heiraten."
„Sie hat doch wirklich gesagt ..." Sie hielt inne, holte tief
Luft. „Nein. Ich werde ihr nicht die Freude machen, es zu wie-
derholen."
„Ich kann es mir vorstellen."
„Nein, Benny, das kannst du nicht." Sie nippte an ihrem
Sherry. „Wahrhaftig, wenn ich gewusst hätte, dass das Leben
einer alten Jungfer sich derart gestaltet, hätte ich den ersten
Mann genommen, der mir einen Antrag gemacht hat."
„Der erste Mann, der dir einen Antrag gemacht hat, war ein
verblödeter Pfarrer."
„Du solltest nicht so schlecht vom geistlichen Stand spre-
chen."
Benedick schnaubte nur und nahm einen großen Schluck
Whisky.
„Na schön. Ich hätte den zweiten Mann genommen, der mir
einen Antrag gemacht hat. Geoffrey war recht attraktiv."
„Wenn du
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