Sarah Maclean
selbstgefälliger Überle-
genheit.
Mit staubtrockener Stimme meinte er: „Whisky ist eben ge-
wöhnungsbedürftig."
„Offenbar schon", erwiderte sie verdrießlich. „Meine Kehle
brennt wie Feuer."
„Das Gefühl legt sich mit der Zeit." Nach kurzem Schwei-
gen fügte er hinzu: „Vermutlich wäre es ratsam, wenn Sie das
nächste Mal nur daran nippen würden, statt einen riesigen
Schluck zu nehmen."
„Danke, Mylord. Darauf bin ich noch gar nicht gekommen",
erwiderte sie trocken.
„Was tun Sie hier?", fragte er ruhig, fast schmeichelnd. In sei-
nen blauen Augen stand warme Neugier.
„Das habe ich Ihnen bereits gesagt." Sie nahm einen kleinen
Schluck Whisky und verzog das Gesicht.
Er seufzte, fixierte sie dabei mit seinem Blick. „Wenn das
stimmt, sind Sie leichtsinniger, als ich dachte. Sie haben Ihren
Ruf heute Abend ernsthaft in Gefahr gebracht."
„Ich bin aber doch verkleidet."
„Nicht sehr gut."
Nervös hob sie die Hand zu ihrem Spitzenhäubchen. „Nie-
mand hat mich erkannt."
„Ich habe Sie erkannt."
„Bei Ihnen ist das etwas anderes."
Er schwieg, beobachtete sie. „Ja, das stimmt. Bei mir ist es
etwas anders. Im Gegensatz zu anderen Männern, denen eine
unbegleitete Frau in einem Etablissement wie diesem begegnen
könnte, ist mir deutlich daran gelegen, Ihre Ehre zu bewahren."
„Danke, Lord Ralston", erklärte sie wegwerfend, „aber ich
brauche Ihren Schutz nicht."
„Mir scheint, Sie brauchen ihn sehr wohl. Oder muss ich Sie
daran erinnern, dass Sie und Ihre Familie demnächst gesell-
schaftlich mit meiner Schwester verkehren werden? Sie hat
schon mit genügend Hindernisse zu kämpfen und kann gut da-
rauf verzichten, dass Sie Ihren Ruf und damit gleichzeitig ihre
Aussichten ruinieren."
Der Whisky verlieh ihr Mut. „Wenn Sie sich wegen meines
Rufs solche Sorgen machen, Mylord, dann würde ich vorschla-
gen, Sie suchen sich jemand anderen, der Ihre Schwester in die
Gesellschaft einführt."
Er kniff die Augen zusammen. „Nein, Lady Calpurnia. Wir
haben eine Abmachung. Ich will Sie."
„Warum?"
„Weil Juliana Ihnen vertraut und gern in Ihrer Gesellschaft
ist. Und weil mir nicht genug Zeit bleibt, noch mal von vorn
anzufangen und mir jemand anderen zu suchen." Sein Ton war
unerbittlich.
Das Schankmädchen kam zurück und beugte sich weit vor,
um Ralston ausgezeichneten Einblick in ihre üppigen Reize zu
gewähren. „Brauchen Sie heut Abend noch was, Mylord?"
„Heute Abend nicht", sagte Ralston lässig. Er bemerkte, wie
schockiert Callie von der offen ausgesprochenen Einladung der
Aufwärterin war.
„Ich hätt' noch einiges in petto, um Ihnen ein paar schöne
Stündchen zu bereiten, mein Lieber."
Callies Augen wurden groß wie Untertassen.
„Das kann ich mir vorstellen, Herzchen", sagte Ralston läs-
sig, zückte eine Münze und drückte sie dem Schankmädchen in
die Hand. „Danke."
Callie atmete scharf ein. Ihr Ton wurde eisig. „Ich habe es
satt, wenn man mir dauernd vorschreibt, wie ich mich zu be-
nehmen habe, ganz als könnte ich das nicht selbst entscheiden -
vor allem von jemandem wie Ihnen."
„Wie meinen Sie das denn?", fragte er unschuldig.
Callie stieß ein verärgertes Knurren aus. „Sie, Sir, sind ein-
fach unverbesserlich."
„Allerdings. Und nachdem wir nun darin übereinstimmen,
dass mein Ruf jenseits aller Kritik ist, können wir uns nun wie-
der Ihrem Ruf zuwenden?" Er wartete ihre Antwort nicht ab.
„Sie werden aufhören müssen, Ihren Ruf in Gefahr zu bringen,
zumindest solange, bis Juliana in die Gesellschaft eingeführt
ist. Das bedeutet, keine Wirtshausbesuche im Alleingang. Nein,
streichen Sie das - überhaupt keine Wirtshausbesuche. Und
wenn Sie vielleicht noch davon absehen könnten, mitten in der
Nacht das Haus zu verlassen, so wäre das ganz hervorragend."
„Gewiss, Mylord." Mutwillig fragte sie, vom Whisky befeuert:
„Und wie soll ich verhindern, dass sich mir ein Mann zu Hause
unsittlich nähert?"
Ihre Offenheit überraschte ihn, und er zeigte sich bekümmert.
„Sie haben vollkommen recht. Bitte verzeihen Sie meine ..."
„Wagen Sie es bloß nicht, sich zu entschuldigen", unterbrach
Callie ihn mit bebender Stimme. „Ich bin kein Kind, und ich
lasse mir auch nicht das Gefühl vermitteln, dass ich über mei-
ne Handlungen keinerlei Kontrolle habe. Weder von Ihnen noch
von sonst irgendwem. Und ich könnte ..."
Sie unterbrach sich. Und ich könnte es nicht ertragen, von
Ihnen
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