Sarah Pauli 03 - Tod hinter dem Stephansdom
genau sagen können, warum. Sie schob es auf Conny, deren Argwohn ansteckend zu sein schien. Wie eine Krankheit. Misstrauen. Ein Keim, der sich durch die Luft bewegte und unbemerkt auf sein Opfer niederließ, zuerst friedlich in den Körperzellen verharrte und dann zu einem üblen Geschwür anwuchs.
Sarah bemerkte, dass sie hinter jeder Wortwahl, hinter jeder unbeantworteten Frage, hinter jedem flüchtigen Blick Böses zu wittern begann.
Um sich abzulenken, widmete sie sich der Mail einer Kollegin aus der Wirtschaftsredaktion, die einen Artikel über Oskar Brands unternehmerische Erfolge und seinen Lebensweg an Kunz’ Rechner und zugleich an Sarah, lediglich in Kopie » cc « , geschickt hatte. Kunz hatte der Kollegin bereits geantwortet, ebenfalls » cc « an Sarah, und den Bericht für die morgige Ausgabe fixiert.
So viel also zum Thema, Sarah solle für Kunz die Berichte » vorsortieren « .
Lass dich nicht über den Tisch ziehen.
Davids Worte.
Das Telefonat mit der Brand & Sohn AG hatte sie frustriert. Sie war genau in der Stimmung, die sie für das jetzt bevorstehende Telefonat brauchen konnte. Sarah griff zum Hörer und rief die Kollegin der Wirtschaftsredaktion an.
» Sarah Pauli hier « , meldete sie sich, als ihre Kollegin abhob. » Bist du nicht darüber informiert worden, dass die Artikel über Oskar Brand zuerst auf meinen Tisch kommen? Ich leite sie dann an Herbert weiter. «
» Ich hab’ dich in Kopie gesetzt « , verteidigte sich ihre Kollegin.
» Der Bericht hätte zuerst an mich gehen müssen. «
» Seit wann kontrollierst du eigentlich unsere Berichte? Das ist ja etwas ganz Neues. «
» Hast du Gabis Rundmail nicht gelesen? «
Schweigen.
» Dann weißt du ja Bescheid. Ich kontrolliere eure Berichte nicht. Ich fasse für Herbert die Inhalte zusammen, damit er entscheiden kann, wann welcher Artikel erscheint. Herbert kümmert sich nämlich um die bevorstehenden Weihnachtsnummern. Da hat er alle Hände voll zu tun. «
» Und da wirst ausgerechnet du seine Assistentin? « , kam es spitz.
» Ja, ausgerechnet ich. Also halt dich in Zukunft bitte daran. Danke. «
Sarah legte auf. Ihr Herz pochte wild. Sie hasste derartige Auseinandersetzungen.
Sie legte den Wiener Boten zur Seite, drehte das Radio an und widmete sich den anderen Zeitungen, um zu sehen, was die Konkurrenz aus der Geschichte gemacht hatte.
Die Nachricht von Brands Tod war Thema Nummer eins in allen Printmedien. Die österreichischen Fernseh- und Radiosender berichteten nahezu stündlich darüber, selbst die deutschen Medien informierten ausführlich über das Ableben des erfolgreichen Unternehmers. Immerhin belieferte die Brand & Sohn AG internationale Fahrzeug- und Flugzeughersteller mit Gleitlagern und Reibbelägen.
Im Endeffekt ähnelten sich die Berichte. Niemand bekam bisher ein Statement des Konzernerben Philipp Brand, weshalb sich alle an die offizielle Version der Polizei hielten.
Dennoch machte Sarah sich ein paar Notizen. Vielleicht bekam sie ja irgendwann ein brauchbares Dossier über Brand zusammen. Eines, das auch hinter die Fassade des Geschäftsmannes blicken ließ. Im Moment zweifelte sie jedoch daran.
Sie griff wieder zum Telefon und rief Martin Stein an. Nach dem dritten Läuten hob der Chefinspektor ab.
» Was wollen Sie, Sarah? «
» Ich freue mich auch, Sie zu hören, Stein. «
» Ich kann mir denken, worum es geht. Oskar Brand. Nein. Es gibt keine Informationen, Sarah. Sie haben sicher den Polizeibericht bekommen, da steht alles drin. «
» Da steht das Übliche drin. Ich will mehr … ich brauche Hintergrundinformationen. Kommen Sie! Woran starb Oskar Brand? Altersschwäche wird’s wohl nicht gewesen sein, mit sechzig Jahren. Und von einer schweren Krankheit weiß auch niemand etwas « , behauptete sie.
» Wenn es noch keine offizielle Meldung darüber gibt, werden wir’s wahrscheinlich auch noch nicht genau wissen. «
» Kann ich das als versteckten Hinweis nehmen? Im Polizeibericht steht, dass es keine Anzeichen für ein Gewaltverbrechen gibt. Stimmt das? «
» Wenn es im Bericht steht, dann wird es auch so sein. Und nein. Sie können das nicht als versteckten Hinweis nehmen, weil es keinen versteckten Hinweis gibt. «
Einem inneren Impuls nachgebend, kritzelte Sarah das Wort » Mord « und ein großes Fragezeichen auf einen Zettel. Das Misstrauen steckte ihr bereits in allen Gliedern.
» Wann genau ist er gestorben? «
» Auch dieses Ergebnis liegt noch nicht vor. «
» Er ist
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