Sarah Pauli 03 - Tod hinter dem Stephansdom
als sie dann doch schneller als gedacht vor dem Firmenareal stand. Über einer breiten Einfahrt mit heruntergelassener Schranke prangte ein Firmenschild aus Metall mit dem eingravierten Firmenwortlaut » Brand&Sohn AG « . In einem kleinen Glaskobel neben der Einfahrt saß ein Portier und las Zeitung. Sein Ausdruck spiegelte die Langeweile, die dieser Job mit sich brachte, wider. Als Sarah vor dem Glasquader stand, drückte er auf einen Knopf und begrüßte sie freundlich aber distanziert durch mehrere ins Glas eingefasste Löcher. Nachdem Sarah erklärt hatte, wer sie war und Ulrike Kastlers Namen erwähnte, nahm er den Finger von dem Knopf, telefonierte kurz und ließ Sarah gleich darauf wissen, dass sie sofort abgeholt werde. Er öffnete die Schranke, ließ sie passieren, fuhr die Schranke wieder herunter und widmete sich seiner Zeitung. Sarah schlug den Kragen ihres Mantels hoch. Ein kalter Wind fegte durch das Gelände. Sie fror erbärmlich, aber wenigstens war es trocken.
Als wenige Minuten später eine Frau mittleren Alters in einem dunkelgrauen Kostüm, weißer Bluse, hellgrauen mittelhohen Pumps und blonden, streng nach hinten gebundenen Haaren auf sie zusteuerte, wusste Sarah sofort, dass es sich um Ulrike Kastler handelte.
Kommunikationsleiter internationaler Konzerne sahen alle gleich aus, ähnlich wie die PR -Leute politischer Parteien, tough, selbstbewusst und siegessicher. Ihre Kostüme und Anzüge saßen perfekt, sie ließen keinerlei Spielraum für Kreativität. Die Leute dieses Berufsstandes erinnerten Sarah immer an die grauen Herren aus Michael Endes Momo, nur dass der graue Herr, der jetzt geradewegs auf sie zuging, eine Dame war. Und die graue Dame hier stahl keine Zeit, sondern verkaufte Illusionen. Die Illusion, dass die Menschheit den Fortschritt und die Industrie notwendiger brauchte als etwas zu essen. Besser einen Q7 in der Garage als gesunde Lebensmittel im Körper. Letztere konnte ja niemand sehen, aber der Wagen vor der Tür, der ließ jeden Nachbarn vor Neid erblassen und das eigene Selbstwertgefühl wachsen.
Ulrike Kastlers Gang war aufrecht, gerade ausgerichtete Schultern, steifer Oberkörper. Wenige Meter vor Sarah streckte sie bereits die Hand nach ihr aus wie eine Waffe. » Sie sind sicher Sarah Pauli. «
» Ja « , bestätigte Sarah.
» Ulrike Kastler. «
Ulrike Kastlers Händedruck war fest, aber nicht überlang. In der Körpersprache war das ein Zeichen dafür, dass die Kommunikationsleiterin ihr gegenüber wohlgesinnt war, wusste Sarah zu analysieren.
» Gehen wir doch in den Konferenzraum. « Sie ging voran, Sarah folgte ihr. » Ich habe Herrn Doktor Brand informiert. Er ist noch bei seiner Familie, wird aber so schnell wie möglich bei uns sein « , erklärte Ulrike Kastler auf dem Weg.
Das Bürogebäude lag seitlich einer endlos erscheinenden Lagerhalle. Auf dem Flur kamen ihnen Mitarbeiter entgegen. Sie begutachteten Sarah mit raschen Blicken, manche grüßten freundlich.
» Melanie Fuchs « , stellte Ulrike Kastler Sarah dann eine Frau mit kurzen grauen Haaren in beigem, streng geschnittenem Kostüm vor, die Sarah auf Mitte fünfzig schätzte. » Unsere Personalchefin. Eine langjährige Mitarbeiterin und enge Vertraute unseres verstorbenen Chefs. «
In dem Gesicht der Frau konnte Sarah Trauer erkennen. Rasch eilten sie weiter. Vor einer Tür blieb Ulrike Kastler stehen. Sarah warf einen Blick auf das Schild neben dem Eingang: » Katrin Niedler. Sekretariat Geschäftsleitung « .
» Kaffee? « , fragte die Kommunikationsleiterin.
» Gern « , antwortete Sarah. Sie machte sich nichts aus Kaffee und lehnte meistens ab, aber sie wollte die Sekretärin sehen.
Die Pressedame öffnete die Tür, und Sarah sah zwei Frauen in dem Raum. Eine Blonde etwa Anfang dreißig mit langen offenen Haaren und strahlend blauen Augen saß hinter dem Schreibtisch. Sie hob augenblicklich den Kopf, als die Tür aufging.
Die Frau mit dem brünetten Pagenkopf, die auf der anderen Seite des Schreibtisches saß, schätzte Sarah etwa so alt wie ihre Kollegin. Sie wandte den Kopf etwas langsamer Richtung Tür.
» Oh, Frau Heinlein « , sagte Ulrike Kastler. » Ich wusste gar nicht, dass Sie hier sind. «
» Wir arbeiten gemeinsam die Unterlagen durch, die liegen geblieben sind « , erklärte die Frau. » Herr Doktor Brand will, dass wir sie nach Dringlichkeit sortieren. «
» Könnte uns jemand zwei Tassen Kaffee ins Konferenzzimmer bringen und etwas Wasser? Wenn Herr Doktor Brand
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