Sarah Pauli 03 - Tod hinter dem Stephansdom
Levic. Mario sah fassungslos in Gerhards totes Gesicht.
» Dann bis morgen! « Anna schwebte an ihm vorbei und winkte.
» Bis morgen « , erwiderte er tonlos.
Er starrte sein Handy unverwandt an. Unter dem Foto stand eine Nachricht. Plötzlich begriff er, dass es sich hier nicht um eine dumme Verwechslung, sondern um eine offene Drohung handelte.
Herzlichen Glückwunsch. Du bist noch am Leben. Aber nicht mehr lange, verlass dich darauf. Du bist der Nächste.
Die mysteriöse Anruferin von Freitagabend fiel ihm wieder ein. Plötzlich wusste er etwas damit anzufangen.
Ich bin tatsächlich in Gefahr, dachte er.
Und in diesem Moment kroch das pure Entsetzen in ihm hoch.
Donnerstag, 25. Oktober
23
SARAH PAULI
A ls Sarah erwachte, fühlte sie sich ausgeruht und war voller Tatendrang. David lag mit dem Rücken zu ihr. Er war nur bis zu den Hüften zugedeckt und atmete ruhig und gleichmäßig. Sarah realisierte, wie sehr sie sich bereits an ihn gewöhnt hatte. Sie fühlte sich wohl in seiner Gegenwart. Gestern nach ihrem Liebesspiel im Büro waren sie noch ins Il Melograno in die Dorotheergasse gegangen, hatten gut gegessen, geredet, Wein getrunken, waren dann gemeinsam in Sarahs Wohnung gefahren und hatten sich noch einmal leidenschaftlich geliebt. Die Erinnerung daran ließ sie lächeln, und ihr Körper begann augenblicklich zu reagieren. Sie rückte näher und küsste seinen Nacken, während sie mit den Fingern über seine Oberschenkel strich. Er brummte leise. Es brauchte nicht viel, David zu einem morgendlichen Intermezzo zu überreden. Ob das irgendwann aufhörte?
Später lag ihr Kopf auf seiner Brust, und er streichelte ihren Rücken. Sie redeten über ihre Gefühle, darüber wie unerträglich es war, in der Redaktion distanziert miteinander umgehen zu müssen. Natürlich könnten sie die Situation einfach verändern. Er war der Chef, und sie …
Doch es war alles nicht so einfach, wie sich das Gabi oder Chris vorstellten. Wie würden die Kollegen reagieren? War es besser zu schweigen, weil die Wahrheit ihnen schaden würde? Waren sie noch in der Phase der ersten Verliebtheit, in der Hormone das Handeln steuerten, oder waren sie schon einen Schritt weiter? Wo führte das alles hin? Was war das Ziel? Eine dauerhafte Beziehung mit allen Hochs und Tiefs? Oder doch eine Affäre, die sie nach der ersten Krise beenden würden?
Als David Sarah fragte, ob sie nicht doch endlich reinen Tisch machen und statt ihrem heimlichen Verhältnis eine offene Beziehung führen sollten, läutete Sarahs Handy.
» Das scheint zur Dauereinrichtung zu werden, dass dein Handy immer dann läutet, wenn wir beschäftigt sind oder über wichtige Dinge reden « , sagte er.
» Tut mir leid « , sagte Sarah. » Aber die Anrufer wissen ja nicht, womit wir gerade beschäftigt sind. «
Sie fragte sich, wer sie vor acht Uhr morgens anrief. Chris konnte es nicht sein, sie hatte ihn gehört, als er heimkam. Sie löste sich von David, tastete über den Boden, bis sie das Mobiltelefon spürte, und hob ab.
» Hallo « , sagte sie mit rauer Stimme.
» Entschuldigen Sie, dass ich Sie so früh anrufe « , hörte sie Mathilde Zimmermanns Stimme.
David raffte seine Kleidung zusammen und bedeutete ihr mit einer Geste, dass er ins Bad gehen würde.
» Jemand hat überall in der Innenstadt Zettel verteilt, und ich denke, die sollten Sie sich ansehen. «
Mathilde Zimmermann sprach leise und ruhig, dennoch spürte Sarah deutlich ihre Aufgeregtheit. Sie setzte sich im Bett auf.
» Warum sollte ich mir die Zettel ansehen? « , fragte sie, während sie Shorts und T-Shirt vom Boden aufhob und umständlich überzog.
» Weil da nicht nur Ihr Toter aus der Blutgasse drauf ist, sondern noch andere Gesichter, und außerdem die Madonna. «
Sarah stockte.
Ihr Toter aus der Blutgasse.
Wie das klang! Als habe Sarah eine persönliche Beziehung zu Oskar Brand. Oder noch schlimmer: als habe sie ihn umgebracht.
» Wie kommen Sie darauf, dass es sich um den Toten aus der Blutgasse handelt? «
Sarah konnte sich nicht erinnern, Mathilde Zimmermann ein Foto des Unternehmers gezeigt zu haben. Gut, sie konnte im Internet nachgesehen haben.
» Haben Sie noch keine Zeitung gelesen heute Morgen? «
Sarah ging in die Küche und setzte für David Kaffee auf. Sich selbst machte sie einen grünen Tee.
» Zeitung? « , fragte Sarah, obwohl sie ahnte, was Mathilde Zimmermann meinte: Oskar Brands Leiche auf der Titelseite.
David kam mit einem Handtuch um die Hüften aus
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