Sarah Pauli 03 - Tod hinter dem Stephansdom
sich für die kunstvolle Gestaltung viel Zeit genommen haben. Es sah keinesfalls so aus, als wären die Bilder wahllos aufgeklebt worden. Zwischen den Männern musste es irgendwelche unheilvollen Verbindungen geben, denn der Künstler hatte Hände neben ihre Gesichter gemalt, die voll mit roter Farbe waren: Blut klebte an ihren Händen.
Die Madonnenfigur war so hineinmontiert, dass alle drei Fotos von ihr berührt wurden.
» Ich weiß jetzt auch, welche Figur das ist. « Mathilde Zimmermann war immer noch ziemlich aufgeregt, sie strich unentwegt mit dem Daumen über ihre Handinnenfläche. » Es ist die Dienstbotenmadonna aus dem Steffl. «
Sie legte ihren Zeigefinger auf die Abbildung der Figur und zog ihn sofort wieder zurück, als hätte sie sich verbrannt.
» Das ist unheimlich « , murmelte sie. » Glauben Sie mir endlich, dass es zwischen der schwarzen Frau und dem Todesfall in der Blutgasse einen Zusammenhang gibt? «
Dann zog Mathilde Zimmermann eine Ausgabe des Wiener Boten unter dem Verkaufspult hervor und legte sie auf den Zettel.
» Sie haben etwas über die schwarze Frau geschrieben. Das ist gut « , bemerkte sie. » Wenn das wirklich der Todeszeitpunkt war, dann … «
» Frau Zimmermann « , unterbrach Sarah, » die Frau, die Sie gesehen haben, ist entweder eine Zeugin oder seine Mörderin. «
» Warum steht dann ›Mörder‹ über seinem Gesicht? «
Ihr Finger blieb in der Luft über Brands Gesicht hängen.
» Ich weiß es nicht « , behauptete Sarah. Doch in ihrem Kopf schoben sich allmählich die Puzzlestücke ineinander. » Die Polizei würde übrigens gern mit Ihnen sprechen. «
Mathilde Zimmermann zog rasch ihre Hand zurück und sah Sarah erschrocken an. » Haben Sie denen gesagt, dass ich Sie angerufen hab’? «
Sarah schüttelte den Kopf. » Natürlich nicht. Ich fänd’ es aber sinnvoll, wenn Sie mit dem ermittelnden Inspektor sprechen. Sein Name ist Martin Stein. Er ist sehr nett. Zugegeben, manchmal ein bisschen brummig, aber nett. «
Nachdem sie das Für und Wider abgewogen hatten, gab Sarah ihr Martin Steins Telefonnummer.
» Und Sie sind sich ganz sicher, dass Sie die dunkel gekleidete Frau « , Sarah vermied die Bezeichnung schwarze Frau, wann immer es ging, » zum ersten Mal in der Walpurgisnacht gesehen haben? «
» Da bin ich mir ganz sicher. Ich mein’, man merkt sich doch, wenn etwas Ungewöhnliches passiert. Außerdem hab’ ich mir’s aufgeschrieben. «
Wieder griff sie unter den Verkaufstisch, holte diesmal einen Kalender hervor und nannte Sarah ohne hineinzusehen das Datum.
» Hier haben Sie’s schwarz auf weiß. « Sie schob Sarah den Kalender zu. » Wieso fragen Sie? Haben Sie eine Idee, warum sie ausgerechnet in der Nacht dort war? «
» Eine vage. «
Die Eingangstür öffnete sich, und zwei Frauen mittleren Alters betraten das Geschäft. Sarah nutzte die Gelegenheit, sich zu verabschieden.
Sie zeigte auf das Papier.
» Kann ich das mitnehmen? «
Mathilde Zimmermann nickte und rollte es zusammen. Offenbar wollte sie nicht, dass die Kundinnen sahen, was es war.
» Halten Sie mich auf dem Laufenden? «
» Wenn Sie Stein anrufen? « , forderte Sarah sie noch einmal auf, dann verließ sie das Geschäft.
Auf der Straße holte sie ihr Handy hervor und gab Herbert Kunz eine Zwischenmeldung. Diesmal würde auch der Wiener Bote eine Titelstory bringen.
Auf dem Weg zum Stephansdom fand sie weitere Zettel. Sie waren achtlos auf die Straße oder in die Mülleimer geworfen worden. Die Darstellung schien entweder niemanden zu interessieren, oder man hielt sie für einen geschmacklosen Scherz.
Was hatten diese Männer nur für eine Scheiße verbrochen?
Sie zog zwei Zettel aus dem Müll, rollte sie zusammen und nahm sie mit. Man konnte nie wissen.
Wenig später stellte sie sich hinter die Touristen in die Schlange, um den Dom durch das Hauptportal zu betreten. Mit der Ideologie der Kirche konnte Sarah nichts anfangen. Sie war nicht religiös, sondern hatte den Glauben an die Institution Kirche schon früh verloren. Mit den Symbolen dieses Domes kannte sie sich jedoch aus: Die in Stein gemeißelten Tiere als Merkmal für das Gute und Böse zwischen Leben und Tod. Der Wetterhahn als Wächter gegen den Teufel. O5, das Zeichen des Widerstands gegen die NS -Herrschaft an der Westfassade des Doms. Die beiden doppelten Halbsäulen, ebenfalls an der Westfassade, endeten in einem naturgetreuen männlichen und in einem ebensolchen weiblichen Geschlechtsorgan, als
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