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Sarahs Moerder

Sarahs Moerder

Titel: Sarahs Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Longo
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eine Nigerianerin im Mini sahen wir, die auf Kundschaft wartete. Und einen Wohnwagen ohne Räder, in dem einer wohnte. Weiter vorn wurde die Straße noch enger. Äste schlugen gegen die Scheiben, ab und zu hörte man einen Hund bellen. Weil die Straße ganz schön holprig war, wurde mir auch noch schlecht. Nach fünf Minuten Geruckel hielt das Auto vor uns an einer Trockenmauer. Lo Masto stieg aus.
    »Hier ist es«, sagte er, »ich schau mal nach.«
    Zusammen mit Cardillo ging er rein. Ich reckte mich, um besser über die Mauer sehen zu können. Ein ziemlich großer Vorplatz mit Brunnen, dahinter ein Haus, wohl verlassen. Im unteren Stockwerk eine Art Lagerraum, wo vielleicht mal Tiere gehalten wurden. Nach oben kam man über eine Außentreppe. Die Eingangstür war verrottet. Dann ein Fenster ohne Glas und ein runtergelassener Rollladen, der noch hielt und auf einen Balkon führte. Lo Masto kam zurück.
    »Noch nicht da«, sagte er.
    »Dann versteckt die Autos«, ordnete der Commissario an.
    Cipriani, Scarano und ich machten uns auf die Suche nach einem geeigneten Ort. Hundert Meter weiter fanden wir eine Bauruine, nur das Fundament, die Säulen und der Giebel standen. Bei genauerem Hinsehen gab es eine Menge solcher Häuser ringsum. Klar, die waren illegal, und vielleicht hatten sie jetzt, wo ein Politiker nach dem anderen verhaftet wurde, die Bauarbeiten unterbrochen, um abzuwarten, woher der Wind wehte. Die Autos stellten wir an einen Hang hinter den Säulen, damit man sie von der Straße aus nicht sah.
    Als wir zurückkamen, hatte sich Lo Masto schon links vom Haus postiert. Cardillo war in den ersten Stock hoch und versteckte sich dort irgendwo.
    »Scarà, Cipriani und du, ihr geht hinter den Laster«, sagte der Commissario und zeigte auf ein kaputtes Betonmischfahrzeug rechts vom Haus.
    »Und ich?«, fragte ich.
    »Du bleibst bei mir.«
    Und er suchte uns einen Platz ein bisschen weiter weg, zwischen der Mauer und dem Feigenbaum, von wo aus man Straße und Haus sehen konnte. Obwohl wir unter dem Baum im Schatten waren, war es heiß, und wir schwitzten. Schon kurz darauf zog der Commissario die Whiskyflasche aus der Tasche und trank einen Schluck. Ich war wieder skeptisch, ob das wirklich Tee war. Ich beugte den Kopf zu ihm rüber, um zu schnuppern, aber er – keine Ahnung, ob extra oder zufällig – zog die Flasche weg. Ich tat so, als wäre nichts, und setzte mich grade hin, schielte aber zu ihm, um rauszufinden, ob er was gemerkt hatte. Ich sah ihn grinsen.
    »Du glaubst mir nicht, was?«
    Ich antwortete nicht und schaute weg.
    »Los, probier mal!« Er stellte die Flasche auf den Stein vor mir.
    Ich guckte erst die Flasche an und dann ihn.
    »Nein, Commissario, ich glaub Ihnen.«
    »Du glaubst mir nicht, probier schon!«, wiederholte er.
    Ich rührte mich nicht.
    »Acanfora, das ist ein Befehl. Los!«
    Ich griff nach der Flasche und sah, dass das Etikett schon ziemlich abgewetzt war. Dann nahm ich einen Schluck. Es war wirklich Tee.
    »Und?«, fragte er.
    »Ist ja warm!«, antwortete ich. »Igitt, was für eine Brühe!«
    Wir lachten.
    »Commissario, Sie haben mir was versprochen.«
    Er schaute mich fragend an.
    »Die Sache mit dem Tee in der Whiskyflasche.«
    »Ach so.« Er seufzte. »Das lassen wir besser.«
    Ich drängte nicht weiter.
    Ringsum hörten wir die Zikaden. In den Zweigen sah man ein Spinnennetz leuchten, das die Sonne von oben beschien. Darüber die Kondensstreifen eines Flugzeugs am Himmel. Der Commissario musste mal ziemlich heftig gesoffen haben und wollte bestimmt deshalb nicht drüber reden. Vielleicht war er wirklich ein richtiger Säufer gewesen, wie ein paar Kollegen behaupteten, die ihn schon länger kannten. Irgendwann musste dann doch der Überlebenswille stärker gewesen sein, und weil er einen Arsch in der Hose hat, hat er es geschafft, aufzuhören. Die Whiskyflasche hob er vielleicht zur Erinnerung auf.
    Ich starrte ihn eine Weile an, ohne dass er es merkte. Wenn du ihn so siehst, wirkt er stark, entschieden, auch kalt, wenn nötig, einer, der dir nicht zeigt, was er denkt. War er wirklich mal wie ein Penner abends nach Hause getorkelt und hatte sich vollgekotzt? Da musste es was geben, das ich nicht wusste.
    »Entschuldigen Sie, Commissario, ich würde natürlich nie … das ist Ihre Sache …«
    »Du denkst zu viel nach, Acanfora«, sagte er mit einem spöttischen Lächeln, aber freundlich, gar nicht böse. »Na, schieß los«, sagte er.
    »Also, bei allem Respekt,

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